Bundesrat Stenographisches Protokoll 646. Sitzung / Seite 67

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kassensektor angehören. Jeder, der mit Liegenschaftsgesetzen oder Liegenschaftsgeschäften zu tun hat, weiß, daß ein Vorkaufsrecht eine wesentliche Wertminderung einer Liegenschaft bedeutet. Das heißt also, daß mit diesem Gesetz vom Parlament eine Wertminderung von Sparkassen beschlossen wird. (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es! – Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!)

Ich bin davon überzeugt, daß jede Beeinflussung des Gesetzgebers von wirtschaftlichen Vorgängen ohne zwingendes öffentliches Interesse für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes negative Folgen hat. (Bundesrat Dr. Tremmel: Richtig!) Wenn aber gesetzliche Regelungen nicht nur von keinem öffentlichen Interesse getragen werden, sondern auch unserem Verfassungsrecht widersprechen, dürfen sie nach meiner Auffassung auf gar keinen Fall beschlossen werden. Solche Gesetze schaden dem Ansehen des Gesetzgebers, das heißt: dem Ansehen des Parlamentes und dem Ansehen unseres Hauses. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind auch schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. (Bundesrat Eisl: Nützt aber der SPÖ! Das ist kein Nachteil! Der Bank Austria vor allem!)

Eine besondere Pikanterie dieses Gesetzes ist, daß die verkaufswillige Sparkasse nicht einmal weiß oder bestimmen kann, wer das Vorkaufsrecht in Anspruch nimmt. Das Vorkaufsrecht ist nämlich an das Zentralinstitut zu richten. (Bundesrat Dr. Harring: Wird im Sektor weitergegeben!) Dieses Institut kann das Angebot entweder selbst aufgreifen oder auch an andere Institute weiterleiten. (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!) Mit solchen Regelungen wird den österreichischen Sparkassen jeder Freiraum für eigene Überlegungen auf dem Weg der Partnersuche beziehungsweise der Kooperation genommen. Es ist damit ein absolutes Zentralisierungsgesetz. In Wien wird darüber entschieden, welche Partnerschaften und Kooperationen die Sparkassen in ganz Österreich in den nächsten sieben Jahren eingehen dürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Arbeitsgruppe der Tiroler Sparkassen hat gerade aus diesem Grunde das in diesem Gesetz enthaltene Vorkaufsrecht vehement abgelehnt. Beim Zentralinstitut auf dem Sparkassensektor handelt es sich nicht um ein distanziert unabhängiges Institut, sondern um einen Konkurrenten jener Kreditinstitute, auf die das Vorkaufsrecht angewendet werden soll. Das heißt, wenn sich eine Sparkasse einen Partner sucht, um am Markt besser und stärker ins Geschäft kommen zu können, dann kann das Zentralinstitut diese Sparkasse daran hindern. Das ist natürlich eine sehr bequeme Art und Weise, wie man unangenehme Konkurrenz bereits im Keime erstickt und von vornherein ausschaltet. Aber gerade darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es!

Die österreichische Wirtschaft braucht gesunde Geldinstitute. Gesunde Geldinstitute entstehen aber, wie auch die übrige Wirtschaft, nur im harten Wettbewerb der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist nur natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß große wirtschaftliche Vereinigungen immer wieder an den Gesetzgeber herantreten und für sich unter den verschiedensten Vorwänden oder Einwänden besondere Schutzklauseln reklamieren. Es ist aber Aufgabe von uns Volksvertretern, also Aufgabe vom Parlament, solche Wünsche genauestens zu prüfen und ihnen nur dann stattzugeben, wenn ein starkes öffentliches Interesse nur durch gesetzliche Regelungen geschützt werden kann. Das Vorkaufsrecht für Sparkassen im vorliegenden Gesetz ist nicht durch ein besonderes öffentliches Interesse begründbar und sollte deshalb auf keinen Fall von uns beschlossen werden.

Die Landesregierung von Tirol wird das Gesetz dem Vernehmen nach auf alle Fälle beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist völlig logisch!) Ich möchte auch Sie ersuchen, werte Kolleginnen und Kollegen, genau zu überlegen, ob Sie einem Gesetz die Zustimmung geben, welches so sehr an die unrühmliche Zeit des österreichischen Wirtschaftsprotektionismus erinnert. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Johann Kraml das Wort. – Bitte.


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