Bundesrat Stenographisches Protokoll 646. Sitzung / Seite 89

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welcher Perspektive man ein Thema wahrnimmt. Hier könnte man sicherlich den einen oder anderen Vergleich anstellen, aber ich glaube, die Frau Staatssekretär wird die Ausführungen von der richtigen Perspektive aus schon wieder ins Lot bringen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Frau Prammer würde Sie darauf hinweisen, daß das Staatssekretärin heißt!)

Wenn man einen Purzelbaum macht, Frau Bundesrätin, kann man auf den Kopf, kann man auf den Hintern fallen. Es gibt eine Vogelperspektive, es gibt auch eine Froschperspektive. Ich überlasse es Ihnen, wo Sie sich selbst einordnen.

Nun einige Anmerkungen meinerseits zum Außenpolitischen Bericht: Die alljährliche Veröffentlichung des Außenpolitischen Berichtes ist nicht nur ein Anlaß, über die im Vordergrund der Außenpolitik stehenden Probleme Bilanz zu ziehen – das hat vor mir schon Kollege Bösch versucht –, sondern bietet auch die Möglichkeit, zu einigen weniger im Lichte der Öffentlichkeit stehenden Materien Stellung zu nehmen.

Eines der zu Unrecht zu wenig beachteten Themen ist die Umsetzung der Beschlüsse des Weltsozialgipfels von Kopenhagen 1995, dem der Außenpolitische Bericht einen Abschnitt unter dem Titel "Weltweite Sozialpolitik" widmet.

In Österreich, aber auch in großen Teilen der Europäischen Union hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, daß aktive Beschäftigungspolitik im Zentrum der Wirtschafts- und Steuerpolitik stehen muß und daß wirtschaftliches Wachstum durch eine tiefgreifende soziale und ökologische Dimension abgesichert werden muß.

Mit der politischen Umsetzung dieser Überzeugung leisten wir gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der Beschlüsse des Weltsozialgipfels. Wir machen dadurch aber ebenso deutlich, daß Beschäftigungspolitik und qualifiziertes wirtschaftliches Wachstum heute nicht mehr nur in einem nationalen Rahmen verstanden werden können. Selbst eine ausschließlich auf Europa bezogene Wirtschaftspolitik würde angesichts der rasch vor sich gehenden Globalisierung meiner Meinung nach zu kurz greifen.

Wohlstand kann auf Dauer nicht nur in einigen wenigen Ländern, nicht nur in einer Festung Europa oder im Bereich der OECD allein gesichert werden. Vielmehr ist es notwendig, die sozialen Probleme überall auf der Welt einer Lösung zumindest näherzubringen. Dies geht über den Bereich der weltweiten Sozialpolitik im klassischen Sinne freilich weit hinaus. Wir brauchen daher eine soziale Umgestaltung der derzeit vorherrschenden Wirtschafts- und Währungspolitik, wie sie etwa die weltweite Gewerkschaftsbewegung, auch der ÖGB und die Arbeiterkammern, seit Jahren vehement fordern.

Dazu einige Denkansätze: Das Bekenntnis zur weltweiten Weiterentwicklung und Verwirklichung der Menschen- und Gewerkschaftsrechte darf nicht länger ein Lippenbekenntnis bleiben. Nach wie vor sind wir mit der Tatsache konfrontiert, daß engagierte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, aber auch Vertreter von demokratischen Parteien, sozialen Bewegungen oder nationalen Minderheiten zu Opfern von Verfolgung und Gewalt werden, wenn ihre Tätigkeit etablierte politische oder wirtschaftliche Interessen in Frage stellt.

Hier muß es rasch zu Veränderungen und zu Taten kommen. Verbindliche Verhaltensnormen für multinationale Konzerne müssen verabschiedet werden, die wichtigsten von der Internationalen Arbeitsorganisation anerkannten Sozialstandards müssen endlich als wesentliche Bestandteile in den WTO-Vertrag eingebaut werden. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen müssen international zur Rechenschaft gezogen werden. Das gilt bereits für Kriegsverbrecher aus Bosnien-Herzegowina oder Ruanda, und das muß, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch für Herrn Pinochet aus Chile gelten.

Wir sind weiters mit der Tatsache konfrontiert, daß makroökonomische Strategien den Spielraum für Beschäftigungs- und Sozialpolitik auf nationaler und internationaler Ebene immer stärker einengen. Als Folge der berüchtigten Strukturanpassungsprogramme der internationalen Finanzinstitutionen ist zwar in vielen Ländern die Inflation gesenkt und ein Großteil der Wirt


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