Bundesrat Stenographisches Protokoll 646. Sitzung / Seite 130

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Von den 800 000 Soldaten in der Türkei – somit die zweitstärkste NATO-Armee – befinden sich 300 000 im Osten des Landes, im bei uns sogenannten Kurdistan. Die Türkei sagt, soweit ich weiß, Bergtürkei dazu. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Bisher wurden 8 Milliarden Dollar für diesen Truppeneinsatz ausgegeben. Die offiziell als terroristisch oder separatistisch bezeichnete Organisation ist noch nicht ausgeschaltet. Dies wird immer wieder nur behauptet. 900 Dörfer wurden zerstört. (Bundesrat DDr. Königshofer: Auch in Nachbarländern!) Seit 1990 setzt die türkische Armee die Vertreibungswelle in die Tat um. Mehr als eine halbe Million Kurden befinden sich jetzt noch in der Türkei auf der Flucht. Solch einen Staat wollen wir in die EU aufnehmen, meine Damen und Herren? – Nein, das wollen wir nicht. Ich glaube, da sind wir einmal einer Meinung – wenn wir auch sonst in manchen Punkten nicht einer Meinung sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da Sie jetzt nicht mitklatschen, glaube ich, daß Sie sie trotzdem aufnehmen wollen. Oder ist dem nicht so, Kollege Drochter? – Nein, wahrscheinlich nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Drochter. )

Man kann natürlich der Meinung sein – vielleicht sind Sie der Meinung –, daß manch ein Staatsmann als Terrorist begann. Wir haben drastische Beispiele: Begin in Israel, Mandela in Südafrika oder Arafat. Aber es gibt auch solche, die Staatsmänner sind und immer noch mehr geächtet werden. Mißachtet und geächtet wird Milošević. Aber wir müßten auch einen Demirel und seine Regierung ächten. Denn die Probleme, die in der Türkei ihren Ausgang nahmen, spielen sich in Europa ab.

Ich habe wenig Verständnis dafür, wenn Frau Kollegin Crepaz sagt, Frau Dr. Riess-Passer hätte bezüglich der Situation am Brenner grenzenlos übertrieben. Sie hat nicht grenzenlos übertrieben. Es ist keine Grenze mehr da, und alle Kurden Europas streben eine Art Sternmarsch auf Rom an. "Der Marsch von Rom" von Renato Balbo in den zwanziger Jahren, ein Buchtitel, ist ein Kinderspiel gegenüber jenen Ereignissen, die sich abspielen werden, wenn Öcalan längere Zeit in Rom bleibt. Ich glaube, wir haben ein Recht, zu sagen, wir wollen dieses Machtgeplänkel innertürkischer Art nicht auf europäischem Boden, besonders nicht auf österreichischem Boden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich hätte noch ein paar Fragen, vielleicht könnten Sie noch darauf eingehen. Ist es nicht so, daß die österreichische Exekutive in den letzten Jahren – auf jeden Fall in den letzten Monaten – in ständigem und 100prozentigem Dauereinsatz ist und daß die österreichische Exekutive im Grunde genommen keine freien Kapazitäten mehr hat? – Wenn das nicht der Fall ist, dann frage ich, warum zum Teil Verstärkung durch das Bundesheer angefordert wurde. Aber da dies der Fall ist, hat die österreichische Exekutive offenbar keinen Spielraum mehr, weitere Aufgaben zu übernehmen. Die Fragen lauten daher auch, wie viele Dienstzuteilungsgebühren ständig bezahlt werden müssen und wie viele Überstunden für die österreichische Exekutive anfallen. Ich freue mich für die Beamten, die sie bekommen, aber das ist der Ausdruck einer Überbeanspruchung der österreichischen Beamten, die im Rahmen der Exekutive tätig sind.

Ich meine daher, Herr Bundesminister, daß das Bundesheer natürlich ein Alliierter von Ihnen ist. Das steht außer Zweifel. Sie haben das österreichische Bundesheer zum Glück schon eingesetzt. Das ist aber nicht die primäre Aufgabe des österreichischen Bundesheeres, das haben wir andernorts schon besprochen. Im Grunde genommen nimmt der Ausbildungsstand der Soldaten in dieser Zeit ab. In allen Staaten der Welt ist das so, weil dies eine sehr einseitige Aufgabe ist.

Aber wenn immer und immer wieder solche Krisenmomente auftreten werden, so wie sie Frau Dr. Riess-Passer am Brenner vor ein paar Tagen festgestellt hat – es spricht nichts dagegen, daß diese nicht wieder auftreten, denn die Südostflanke Europas ist besonders krisenhaft –, dann muß man sich doch vorausschauend Teile des Heeres vorbereitend zu Hilfe holen. Nun sagen Sie, daß jährlich rund 6 000 Soldaten Dienst an der Grenze machen. Das ist es ja nicht. Wir haben viel mehr Möglichkeiten. Das heißt, der Staat hat mehr Möglichkeiten für das Bundesheer. Nichts spricht gegen Waffenübende an der Grenze.


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