Bundesrat Stenographisches Protokoll 646. Sitzung / Seite 138

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welche die Peinigung ganzer Familie nach sich ziehen können, sind weder politisch noch religiös legitimierbar. Die Bestrafung der Kinder für Vergehen der Eltern darf nicht zugelassen werden. – Das trifft uns Österreicher. Wir sollen jetzt kollektiv für Vergehen manch eines Eltern- oder Großelternteils von uns zur Verantwortung gezogen werden.

Konrád meint weiter: Das ist nicht legitimierbar. Keine gewaltsame Deportation ist als endgültig abgeschlossen zu betrachten. Jeder Deportierte, unabhängig von religiöser, ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit, hat ein Recht auf – zumindest – moralische Wiedergutmachung. – Und das ist auf unsere sudetendeutschen Bürger dieses Staates, das ist auf jene, die aus Ungarn vertrieben worden sind, nämlich die Ungarndeutschen, und auch auf die Jugoslawiendeutschen, um es umfassend zu sagen, zutreffend. – Keine Deportation ist mit Menschenrechten vereinbar, keine! Die Strafe kann aber nicht auf die Familie übertragen werden. Die Söhne und Töchter des Massenmörders sind unschuldig. Die nazistischen Deportationen legitimieren nicht die Vertreibung und die Aussiedlung der Deutschen. Die Taten sind ähnlich, nur die Täter und Opfer sind andere. – Die Sudetendeutschen sind daher als Gruppe unschuldige Opfer.

Nachdem die internationale politische Gemeinschaft Neustaaten ohne Minderheitenschutzgarantie anerkannt hat, war der Weg zur Deportation vieler Völkerschaften, auch jetzt am Balkan, frei. Ich warne daher davor, Staaten, die keinen Minderheitenschutz in ihre Verfassung aufgenommen haben, überhaupt in die Europäische Gemeinschaft aufzunehmen. Das wäre ein wesentlicher Punkt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diesen Zusammenhang müssen wir erkennen, um nicht der Torheit und der Heuchelei, vielleicht sogar der Komplizenschaft geziehen zu werden. Eine Staatsgründung, deren wahrscheinliche Folge Deportation und Vertreibung ist, ist unannehmbar. Darauf müssen wir ständig achten. Es werden, ob es uns paßt oder nicht, Staaten gegründet werden. Aber nur im Falle von schwerer Unterdrückung kann sich das Recht auf Sezession ergeben, siehe Kosovo. Was im Kosovo passiert, ist unentschuldbar! Ich will nicht weiter darauf eingehen, aber es gibt keine Möglichkeit für die UNO, dort einzugreifen, weil das Sezessionsrecht nicht anerkannt wird und so als innerstaatlicher Bereich bestehen bleibt.

Nur im Falle von schwerer Unterdrückung kann sich das Recht auf Sezession ergeben. Im Falle des Kosovo hat die Staatengemeinschaft eine Sezession von vornherein ausgeschlossen. Es stellt sich nun die Frage: Wieso hat die Staatengemeinschaft das Recht auf Sezession der Staaten ausgeschlossen? – Oft wird vom Gewaltmonopol der UNO gesprochen. Dieses Gewaltmonopol der UNO gibt es nicht. Die Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, Androhung und Anwendung von Gewalt zu unterlassen.

Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung, der Bruch des Friedens oder eine Angriffshaltung vorliegt. Es gibt aber automatisch kein Gewaltmonopol der UNO als solches. Wir meinen, es muß darauf geachtet werden, daß die Rechte in einem gewissen Verhältnis, in einem vernünftigen Verhältnis, zueinander stehen: die Menschenrechte, die Nationenrechte und die Staatenrechte. Jedes für sich alleine ist nicht umsetzbar; aber wir müssen anerkennen, daß es sozio-kulturell differierende Gewichtungen gibt.

Zur UNO selbst – damit komme ich zum Schluß –: Der letzte Präsident der Vollversammlung, Udovenko aus der Ukraine, zog eine ungeschminkte Bilanz über die UNO. Er ist enttäuscht, fast resigniert: Die Vereinten Nationen drohen in Irrelevanz zu versinken, wenn sich die Staatengemeinschaft nicht endlich zu den nötigen Veränderungen durchringt. – Das sind harte Worte! Zur Finanzkrise der UNO bemerkt er: Die Vereinigten Staaten verlieren möglicherweise am 1. Jänner 1999 ihr Stimmrecht in der UNO-Vollversammlung.

In den Vereinigten Staaten hat nämlich das Parlament Präsident Clinton nicht die Zustimmung dafür gegeben, Teile der Schulden zu zahlen. In den Vereinigten Staaten sind die Parlamentsabgeordneten – im Gegensatz zu Herrn Konecny und seinen Kollegen – nicht Partner der Regierung, sondern die amerikanischen Parlamentarier sind Partner ihrer Bevölkerung.

Nichtsdestotrotz beklage ich es, daß die Vereinigten Staaten ihren Mitgliedsbeitrag, den sie ja schulden, den sie vertragsbedingt schulden, nicht zahlen. Weiters sind die Vereinigten Staaten


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