Bundesrat Stenographisches Protokoll 647. Sitzung / Seite 176

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Die Europäische Charta der lokalen Selbstverwaltung verpflichtete auch Österreich, dafür zu sorgen, daß die lokalen Gebietskörperschaften ausreichend Finanzmittel haben, um ihren Aufgaben gerecht zu werden, und vor allem dafür Sorge zu tragen, daß finanzschwache, kleine Gebietskörperschaften Möglichkeiten zur Sicherung ihrer Aufgabenerfüllung haben.

Ziel muß es sein, daß alle Bürger unseres Heimatlandes im wesentlichen gleiche Lebensbedingungen vorfinden, ob sie nun in der Stadt oder auf dem Land wohnen. Im Finanzausgleichsgesetz zeigt sich zumindest eine Spur Ungerechtigkeit, wenn nämlich die Ertragsanteile von ihrer Höhe her nach der Bevölkerungszahl ausbezahlt werden. Wenn ich mir die einzelnen Finanz-Kopfquoten der Gemeinden ansehe, dann kann ich feststellen, daß diese Quote in meinem Bereich Poysdorf, nordöstliches Weinviertel, zirka zwischen 6 700 S und 9 300 S, je nach Gemeinde und nach Einwohnergröße, liegt. Es gibt allerdings auch Gemeinden, die eine Kopfquote von mehr als 60 000 S haben. – Daran merkt man, daß nicht ganz gerecht vorgegangen wird.

Ich glaube, daß wir darüber nachdenken sollten, ob wir in Hinkunft, um die Aufgaben in den Regionen gemeinsam partnerschaftlicher lösen zu können, die einzelnen Ertragsanteile nicht mehr gemeindeweise, sondern eher bezirksweise oder regionsweise weitergeben sollten.

Wir alle wissen, daß es heutzutage sehr oft einen fairen und gesunden Wettbewerb darum gibt, wo sich Betriebe ansiedeln, welche Infrastrukturmaßnahmen wie angeboten werden und wie Grundstücke verkauft werden können. Wir wissen aber, daß alles nur gemeinsam im Sinne der Flächenwidmung und der Raumplanung gelöst werden kann, daß ganz Österreich an Infrastrukturmaßnahmen – ob Schiene oder Straße – mitbezahlt, einzelne Gemeinden dann jedoch besondere Vorteile daraus ziehen können und zum Teil auch ziehen. Ich glaube daher, daß wir sehr fair nachdenken und sehr offen darüber reden sollten, ob wir nicht in Hinkunft andere Modelle im Sinne einer gerechteren Verteilung dieser Ertragsanteile im Finanzausgleichsgesetz finden sollten. Ich möchte daher noch einmal dafür plädieren, daß in Zukunft eher an Bezirke oder an Regionen verteilt wird, um die Unterschiede nicht so stark ausufern zu lassen!

Zum Stabilitätspakt muß ich sagen, daß ich in diesem Punkt ganz anderer Auffassung bin als mein Vorredner: Jeder, der Rechte hat – der Konsultationsmechanismus beinhaltet richtigeweise Rechte –, hat auch Pflichten. Wenn wir einen Konsultationsmechanismus haben wollen – wir stehen dazu –, dann bedingt das eindeutig auch, daß wir unsere Haushalte koordinieren und gemeinsam darüber nachdenken, welche Defizite – in der schlimmsten Form – von Bund, Ländern, Gemeinden oder Städten angehäuft werden können. Ich brauche jetzt auf die einzelnen Zahlen nicht einzugehen, weil mein Vorredner diese schon genannt hat.

Wir stehen zu diesem Stabilitätspakt, und ich bin verwundert, daß ein Mitglied einer Führerpartei Probleme damit hat, daß die Exekutive diesbezüglich anscheinend etwas lastiger ist als die Legislative. – Das müßten Sie in Ihrer Partei doch gewohnt sein! Abgesehen davon bin ich der Auffassung, daß das in diesem Zusammenhang gar nicht zutrifft, weil das Budget vom Nationalrat beschlossen wird und die Legislative also sehr wohl darauf eingehen wird, wie es hier aussieht. Das gleiche gilt für die Gemeinden: Das Budget beschließt nicht der Bürgermeister, sondern der Gemeinderat! – Bei Ihnen schaut es freilich oft anders aus, weil der Führer darüber bestimmt, was welche Parteileitung tun oder nicht tun darf! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verstehe vom Standpunkt Ihrer Partei, daß Sie Ängste haben. Wir haben ein anderes Demokratieverständnis, und daher ist der Stabilitätspakt gerechtfertigt! (Beifall bei der ÖVP.)

20.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

20.14

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Tremmel hat seine Rede damit begonnen, daß er gesagt hat: Das Finanzausgleichsgesetz und der Stabilitätspakt scheinen vordergründig vernünftig zu sein. – Ich glaube, auch wenn man sich den Hintergrund anschaut, kann


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