Bundesrat Stenographisches Protokoll 649. Sitzung / Seite 8

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Damit meine ich nicht, daß der Bundesrat in einer opponierenden oder protestierenden Art gegen die Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates sein soll, sondern überall dort, wo die Mehrheit der Bundesräte eine Gesetzesvorlage für nicht gut hält, sollte der Bundesrat auch tatsächlich seine Zustimmung verweigern. In der Praxis, meine sehr verehrten Damen und Herren – Sie wissen ja, wie das ist –, ist es meistens so, daß aus Rücksicht auf die Bundesregierung auch jenen Gesetzen zugestimmt wird, von denen der Bundesrat überzeugt ist, daß sie besser noch einmal an den Nationalrat zurückverwiesen werden und dort neuerlich überarbeitet werden sollten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Wenn der Bundesrat gegen eine Gesetzesvorlage des Nationalrates Einspruch erhebt, so bedeutet das keine Ablehnung, sondern dies soll eine Anregung zur Verbesserung der Gesetzesvorlage sein.

Alle Gesetze haben enorme Auswirkungen auf wirtschaftliche Vorgänge. Sie dürfen deshalb keinesfalls Selbstzweck werden.

Das Ansehen respektive die Arbeitsmöglichkeiten des Bundesrates hängen aber weitgehend von der Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landtagen beziehungsweise mit den jeweiligen Landesregierungen ab.

Jede Landesregierung hat einen Stab von Mitarbeitern – mal größer, mal kleiner –, von denen die Bundesgesetze besonders auf ihre Länderverträglichkeit überprüft werden. Wir im Bundesrat haben keine derartige Infrastruktur.

Auf Anregung von Vizepräsident Weiss erhalten wir jetzt wenigstens eine Zusammenfassung – jedenfalls wir von der ÖVP – der Stellungnahmen der Länder zu den einzelnen Gesetzesvorlagen. Bei etwas gutem Willen müßte es doch möglich sein, daß vor jeder Bundesratssitzung in den jeweiligen Bundesländern eine Informationssitzung mit der Arbeitsgruppe der Gesetzesbegutachtung und den Bundesräten stattfindet. Bei dieser Informationssitzung könnten dann nicht nur die Begutachtungsentwürfe, sondern auch die fertigen Nationalratsbeschlüsse beurteilt werden.

Eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrat und den Landtagen sowie den Landesregierungen wäre in der Zukunft für alle von Vorteil. Ich werde mich in meiner Präsidentschaft besonders diesem Thema widmen und durch Besuche in den Ländern versuchen, eine bessere Kommunikation herbeizuführen. Es liegt auch an den Landtagen und den Landesregierungen, wie sehr der Bundesrat ihre Interessen vertritt. Sie besetzen den Bundesrat mit Personen ihres Vertrauens und haben daher auch die Möglichkeit, über Zustimmung und Ablehnung zu den Gesetzesvorlagen Einfluß zu nehmen.

Wir Bundesräte tragen deshalb eine ganz besonders hohe Verantwortung. Wir haben die Verpflichtung, abzuwägen, was für die österreichische Bevölkerung besser ist: die Wünsche der Länder oder Bundesinteressen zu berücksichtigen, und unser Abstimmungsverhalten danach auszurichten. Es werden auch andere berechtigte Interessen, die an uns Bundesräte herangetragen werden, unser Abstimmungsverhalten beeinflussen. Auch diese Interessen sind zu berücksichtigen.

Zu neuen Vorschlägen aus der Zukunftswerkstatt möchte ich folgendes sagen. (Bundesrätin Haselbach: Die Zukunftswerkstatt hat sich das nicht verdient!) Der Bundesrat ist derzeit die einzige verfassungsmäßige Möglichkeit der Länder, auf die österreichische Bundesgesetzgebung einzuwirken. Er hat durch sein Zustimmungsrecht auch die Möglichkeit, Bundesgesetze, welche in die Länderrechte eingreifen, abzulehnen, was weithin nicht bekannt ist. Wenn irgendwelche Veränderungen durchgeführt werden sollen, dürfen diese bisher zum Teil hart erkämpften Rechte im Interesse der Länder nicht geschmälert werden.

Zur Äußerung, daß in den Landtagen Abgeordnete völlig überflüssig herumsitzen, ist zu sagen, daß es in Tirol, in der ältesten Festlanddemokratie, seit vielen hundert Jahren den Tiroler Landtag gibt. Wie mir der Präsident des Tiroler Landtages gestern mitteilte, gibt es seit 400 Jahren den ordentlichen Tiroler Landtag und seit mehr als 600 Jahren landtagsähnliche Einrichtungen


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