Wir haben aber auch den Mut gehabt, uns neue Themen zu suchen. Wir haben die Sichtbarkeit und Visibilität Europas in den Krisenzonen der Welt deutlich erhöht. Ein Stichwort, auf das ich hier noch kurz eingehen möchte, ist der Balkan. Dort ist ein Österreicher, nämlich der österreichische Botschafter Wolfgang Petritsch, die Stimme Europas und der Koordinator schlechthin österreichischer und europäischer Außenpolitik und Friedenssicherung. Glauben Sie mir: All diese Dinge sagen sich am Ende einer Präsidentschaft immer relativ leicht und so sanft dahin; dahinter stehen jedoch oft härteste Arbeit und auch zum Teil wirkliche Gegensätze und Widerstände, die überwunden werden mußten. Es war überhaupt nicht selbstverständlich, daß das klappen wird.
Es gab große und wichtige Mitgliedsländer, die nicht unbedingt davon begeistert waren, daß diese Aufgabe ausgerechnet von einem Österreicher – die Österreicher haben ja immer eine historisch besondere Rolle in diesem Teil Europas gespielt – übernommen werden sollte. Das ist gelungen, und Botschafter Petritsch erfüllt seine Aufgabe heute so, daß wirklich jeder sagen kann, daß er nicht nur eine gute Wahl war, sondern daß die Österreicher in diesem Teil Europas wirklich etwas beizubringen und einzubringen haben.
Wir haben den Mut gehabt, das Thema Sicherheitspolitik nicht beiseite zu schieben. Man hätte ja auch sagen können: Ein Neutraler braucht sich das gar nicht anzutun, weil er sowieso von innen und außen verdächtigt wird, daß er irgend etwas mißbräuchlich oder falsch anlegen könnte. – Ganz im Gegenteil! Wir sind dieses Thema offensiv angegangen, wir haben eine Grundsatzdiskussion über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur gestartet, und ich meine, daß diese neuen Themen auch bleiben werden. Es fanden das erste Verteidigungsministertreffen, der erste Direktkontakt EU-NATO, EU-WEU, die erste Orientierungsdiskussion auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, der Außenminister und der Verteidigungsminister statt. Das wird bleiben und wird letztlich auch den Diskussionsanstoß für eine neue Ära in Europa geben.
Ich möchte jetzt auf die anderen inhaltlichen Punkte sehr stark eingehen, weil Sie ein Recht darauf haben zu hören, was gelungen und was vielleicht weniger gelungen ist:
Zum Euro als dem großen prioritären Thema habe ich bereits gesprochen. Das Thema Beschäftigung wird Staatssekretär Wittmann übernehmen; das klammere ich jetzt bewußt aus, damit wir keine Dubletten haben.
Das Thema EU-Erweiterung ist für uns Österreicher eine zentrale Frage. Ich sage auch ganz offen – ich will da gar nicht mit meiner Meinung hinter dem Berg halten –, ich halte die Erweiterung nach dem Euro für das strategisch bedeutsamste Projekt für die Europäische Union in den nächsten 10, 15 Jahren. Das ist ungefähr der Zeitraum, über den wir reden müssen. (Beifall bei der ÖVP.)
Das ist ein Projekt, das nicht einfach sein wird; das muß natürlich jeder, der für diese Erweiterung eintritt, wissen. Wir wollen ja diese Erweiterung zu einem tatsächlichen Erfolg und nicht zu einem Risiko für die Beitrittskandidatenländer, aber auch nicht für die Unionsländer machen. Das muß ein Erfolg werden. Diese Erweiterung hat längst begonnen.
Ich zitiere wieder Joschka Fischer, der gesagt hat: Eigentlich – meine Worte übrigens – hat die Erweiterung der Union im Herbst 1989 begonnen mit dem Zusammenbruch des Kommunismus, dem Fall des Eisernen Vorhangs, der Ostöffnung, die jetzt in den Beginn der Beitrittsverhandlungen unter österreichischem Vorsitz eingemündet ist und die in den nächsten 10 bis 15 Jahren mit allen Kandidaten letztlich zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden soll.
Es muß uns klar sein, daß wir die Beitrittskandidaten mutig darauf vorbereiten und ihnen auch ehrlich sagen müssen, wo ihre Defizite liegen. Daher halte ich nichts davon, daß man hinter dem Berg hält und nicht den Finger auf offene Probleme legt. Man hilft den Kandidaten nicht, indem man sagt, daß alles "klaß" sei, sondern man hilft ihnen dadurch, daß man sagt: Im Bereich Wettbewerbspolitik, Privatisierung, Funktionieren einer Verwaltung, Menschenrechte, Umweltstandards sind noch große Defizite zu bewältigen. Ihr müßt versuchen, eine moderne soziale Marktwirtschaft in diesen Bereichen zu entwickeln, dann seid ihr willkommen.
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