Bundesrat Stenographisches Protokoll 649. Sitzung / Seite 27

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Die Entwicklung der Europäischen Union ist mit diesen sechs Monaten der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft nicht zu Ende gegangen, die Entwicklung der Europäischen Union hat auch nicht vor sechs Monaten begonnen. Es ist zugegebenermaßen eine nicht so leicht in unserem politischen Denken unterzubringende Tatsache, daß es wirklich ein endloser Stafettenlauf ist, in dem man nach heutigen Regelungen nach siebeneinhalb Jahren dann wieder drankommt.

Ich halte das für ein besonders harmonisierendes und versöhnendes Prinzip, und wenn das Projekt Europa eines der Harmonisierung und der Versöhnung ist, dann haben wir unseren angemessenen Beitrag geleistet, dann können wir von denjenigen EU-Ländern, die in den nächsten Halbjahren die Präsidentschaft im EU-Rat innehaben werden, ein gleiches verlangen, und dann können wir uns darauf vorbereiten, diesen Prozeß in einem weiteren Mal – dann werden die meisten von uns nicht mehr daran beteiligt sein – wieder ein Stückchen weiterzutreiben.

Ich halte für das Faszinierende und wirklich Entscheidende dieses europäischen Prozesses gerade das graduelle Wachstum, das ständige Weiterwachsen. Das ist – und da werde ich doch ein wenig pathetisch – das Prinzip der Natur, die auch nicht eruptiv wächst, sondern langsam, kontinuierlich, aber stabil. Man kann sagen, daß es doch kein so schlechtes Prinzip sein dürfte, wenn wir uns anschauen, wie im großen und ganzen die Natur relativ viel, was ihr angetan wird, übersteht. Wenn das das Wachstumsprinzip der Europäischen Union ist, dann können wir auch da auf eine solide Entwicklung hoffen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

10.38

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, daß der heute hier vorliegende Bericht ein sehr wesentliches Dokument der Erfolge der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist, die wir 40 Monate nach unserem EU-Beitritt innegehabt haben. Es wurde sicherlich Großartiges geleistet. Dafür möchte ich Dank sagen der Regierung, den Beamten, vor allem jenen im Außenministerium, aber auch jenen in den anderen Ministerien, allen öffentlichen Stellen und auch Gesamtösterreich.

Selbstverständlich: Österreich, vor allem Wien, war durch Jahrhunderte immer wieder Zentrum für viele Völker und Nationen. Es ist also da Geschichte passiert. Die letzten sechs Monate sind sicher nicht vergleichbar mit dem Wiener Kongreß, der etliche Jahrzehnte Frieden in Europa im vorigen Jahrhundert gebracht hat.

Ich sehe das Ganze positiv. Österreich ist heute in Europa. Es ist ein kleines Land, aber es hat eine große Erfahrung und eine große Geschichte in diesem Bereich.

Ich darf dazu folgendes sagen: Der große österreichische Dichter Grillparzer hat einmal gesagt: "Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält." – Gemeint war, daß da viele Völker und Nationen in Frieden und Freiheit zusammenleben konnten. Wir haben damit zweifelsohne dieses Europa in kleinem Ausmaß in Mitteleuropa vorgelebt gehabt. Vielleicht waren wir am Anfang dieses Jahrhunderts zu modern, und deswegen sind die Mißverständnisse hinsichtlich des Nationalismus entstanden, die dann zu zwei Weltkriegen auf unserem Kontinent geführt haben.

Wir gehen aber jetzt in ein Europa des Friedens und der Freiheit hinein. Dieses Europa brauchen wir. Denn wir sehen ja auch – das wurde heute schon öfters erwähnt – am Balkan, im Kosovo, wo der Herr Vizekanzler große Verdienste errungen hat, um dort zumindest wieder einen Frieden herzustellen, daß selbstverständlich auch heute noch große Gefahren vorhanden sind, die es zu vermeiden gilt. Es ist im westlichen Europa sicherlich nicht mehr denkbar, daß dort die Nationen gegeneinander Krieg führen – aber das war. Heute, am Ende dieses Jahrhunderts, in dem wir zwei Weltkriege gehabt haben, in dem man in diesem Europa in einer teilweise ganz harten Form aufeinander losgegangen ist, gehen wir in ein neues Jahrhundert, ja in ein


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