Bundesrat Stenographisches Protokoll 649. Sitzung / Seite 35

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verfolgen, konnten feststellen, daß fast ausnahmslos eine positive Beurteilung erfolgte beziehungsweise respektvoll anerkannt worden ist, daß die österreichische Präsidentschaft versucht hat, zwar eine in mühevoller Knochenarbeit zu bewältigende Arbeitspräsidentschaft zu schaffen, es aber nicht gescheut hat, alle Themen, die notwendig sind, damit die Union tatsächlich von der seinerzeitigen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer allumfassenden politischen Union wird, aufzugreifen.

Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die Vorwürfe der Freiheitlichen Partei eingehen, die mir hinsichtlich ihres Kurses an einer Weggabelung angelangt zu sein scheint. Ich erinnere mich an einen Film aus den sechziger Jahren mit dem Titel "Fluß ohne Wiederkehr". Den Weg, den die Freiheitliche Partei heute in der Frage der Europäischen Union beschreitet, würde ich als einen Weg der Wiederkehr zu den Anfängen beschreiben. Es gab doch seinerzeit unter Obmann Haider ein bedingungsloses Ja zur Union, ohne Wenn und Aber, ohne EFTA (Bundesrat Dr. Böhm: Vor Maastricht!), aber später dann, als wir drauf und dran waren, der Union beizutreten, gab es diese großen Antikampagnen. Als wir dann beigetreten waren, hat sich das durch eine entsprechende Polemik noch wesentlich verstärkt. Heute kann man feststellen – auch aus der Rede des Kollegen Bösch konnte man das heraushören –, daß schon noch eine gewisse Skepsis vorhanden ist, aber es gibt durchaus auch Bejahung und Vorträge darüber, was man hätte besser machen können. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Man hört auch nichts mehr von Renationalisierung oder davon, daß die Union reversibel zu machen ist. Es ist erfreulich, daß diese Einsicht bei der Freiheitlichen Partei Platz greift. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Auf die Polemik von Ihnen, Herr Kollege, gehe ich gar nicht ein, denn es ist eine Tatsache: Jemand, der sich im politischen beziehungsweise im diplomatischen Umgang, was die Gästebewirtung angeht, bei dem Problem aufhält, ob die Gänseleber kalt oder warm serviert wird oder ob es überhaupt opportun war, eine Gänseleber zu servieren, Herr Kollege, versteht nicht nur nichts von Gästebewirtung, sondern offenbar auch nichts von diplomatischen Usancen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Gudenus: Ich habe nichts von Gänseleber gesagt!) Herr Kollege! Die Lautstärke, mit der Sie das vorgetragen haben, war auch ein Zeichen dafür, wie schwach Ihre Argumente waren. Ihre Lautstärke ließ sogar auf einen besonderen Notstand hinsichtlich Ihrer Argumente schließen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Gudenus: Hätten Sie geschwiegen, wären Sie ein Philosoph!)

Meine Damen und Herren! Ich kann die Ergebnisse, die hier erläutert worden sind, nur begrüßen. Natürlich ist unser Hauptproblem – daran besteht kein Zweifel, das ist auch nicht zu leugnen – die Beschäftigung. Wir haben erreicht, daß es zu einer Koordination der Beschäftigungspolitiken gekommen ist. Vor zwei, drei Jahren hat es allgemein geheißen, Beschäftigungspolitik sei eine nationale Sache. Nunmehr bekennt sich die Europäische Union zu Recht und mit einem deutlichen Ja zu dieser Beschäftigungspolitik. Wir haben auch erreicht, daß die Leitlinien von Luxemburg festgeschrieben und deutlich interpretiert worden sind. Mittlerweile ist es dankenswerterweise auch zu einer Senkung der Arbeitslosenzahlen in der Union um etwa 1,5 Millionen gekommen.

Besonders bedeutsam ist für mich die außenpolitische Entwicklung. Dankenswerterweise hat Herr Vizekanzler und Ratsvorsitzender Schüssel wirklich alles Menschenmögliche unternommen. Er hat sich selbst nicht geschont, ist 90 000 Kilometer durch alle Welt getingelt, und er hat tatsächlich die Effizienz der Union in der ganzen Welt verstärkt. Wir sind ihm dankbar, vor allem wir, die wir im Osten unseres Landes leben, daß er sich besonders in der Frage Jugoslawien, in der Frage Kosovo engagiert hat.

Ich selbst war vor einem Jahr bei den Wahlen von Jugoslawien Wahlbeobachter in Belgrad. Aufgrund meiner Kenntnis der serbokroatischen Sprache konnte ich damals die Problematik mit allen Teilen, mit allen ideologischen Gruppen in Belgrad diskutieren. Ich hatte auch Gelegenheit, mit dem nunmehr tätigen Botschafter Petritsch einen Gedankenaustausch zu pflegen, und ich habe dort gesehen, welch hervorragender Mann dort vor Ort für Österreich arbeitet, habe aber auch die besonderen Schwierigkeiten gesehen, die dort durch Nationalismen, die historisch bedingt sind, entstehen.


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