Die Europäische Union sowie die Welthandelsorganisation sind für die Landwirtschaft, aber auch für die Menschen insgesamt unangemessen. Der Mensch wird in solch einer Vermassungsgesellschaft als Rohstoff betrachtet, den man schlichtweg hin und her manipulieren kann. Dekuvrierend dazu war, daß der Herr Bundeskanzler selbst letztes Jahr anläßlich der Feier "80 Jahre Republik Österreich" den Menschen als wertvollsten Rohstoff der Republik bezeichnet hat. – Er hat sich nie für diesen Ausdruck entschuldigt. Das ist solch eine materialistische Auffassung des Menschen, daß ich mich fragen muß: Wie kann dieser Mensch, dieser Rohstoff, als Bundeskanzler solche Zustimmungsraten haben? – Zumindest sagen das immer die Medien. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)
Rechtsphilosophisch möchte ich zum Abschluß noch folgendes sagen: Die stufenweise voranschreitenden universalen Entgrenzungen, die vorgenommen wurden und werden, bedeuten, soweit sie reichen, die Zuerkennung ungehemmter potentieller Machtausdehnung für die so freigesetzten Kräfte und Interessen. Sie negieren insoweit zugleich die Eigenständigkeit und Subjektstellung kulturgeprägter Wirtschafts- und Lebensräume, auch der Staaten, die ihrerseits miteinander in Beziehung treten, Handel und Austausch miteinander vereinbaren und – auch Grenzen setzend – regulieren. Statt dessen wird die Welt als einheitlicher Wirtschafts- und Handelsraum konzipiert, wenngleich sie ein solcher angesichts der vorhandenen strukturellen Verschiedenheiten nicht ist.
Auf diese Weise werden sowohl die Fungibilität des Kapitals mit seiner Suche nach Rentabilität als auch die Konkurrenz der Märkte als antreibender Motor wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen immer weiter freigesetzt. Grenzenlose Freisetzung bedeutet aber in dem Maß, in dem sie geschieht, die Begründung einer alleinigen Subjektstellung für diejenige Kraft oder Verhaltensweise, die so freigesetzt wird. Betrifft sie das Kapital, so wird es mit seiner Suche nach Rentabilität zu dem maßlosen Subjekt; es vermag, soweit seine Freisetzung reicht, alles andere sich unterzuordnen und seinen Funktionsbedingungen zu unterwerfen.
Überkommene Lebensformen, kulturell und geographisch bestimmte Existenzbedingungen, die begrenzte Mobilität der Arbeitskräfte, weil sie in der übergroßen Mehrzahl bestehenden Siedlungsräumen verhaftet sind – also der Heimat –, vermögen demgegenüber keinen Eigenstand, keine Subjektqualität zu gewinnen – es sei denn, das Recht verschafft sie ihnen durch Grenzziehungen und Zuordnungen. Wir brauchen Grenzen, Herr Bundesminister, und nicht die grenzenlose Landwirtschaft.
Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Die Bedingungen landwirtschaftlicher Erzeugung und die daraus herrührenden Produktivitäts- und Ertragsaussichten sind weltweit sehr unterschiedlich. Im Sinne reiner Marktökonomie und globalen Wettbewerbs sind die Nahrungsgüter, deren die Menschen weltweit bedürfen, dort zu produzieren, wo dies am kostengünstigsten geschehen kann. Daß für Millionen Menschen eine auch weniger produktive Landwirtschaft Existenzgrundlage und kulturelle Lebensform bietet, daß ein einheitlicher Produktivitätsstandard wegen der unterschiedlichen geographischen Bedingungen, Bodenqualität und Witterungsgegebenheiten nicht herstellbar ist, daß andererseits das Brachliegen weiter Flächen zu Verkarstung, zur Verarmung und Entvölkerung weiter Landstriche führt, spielt nach dem Marktprinzip keine Rolle.
Die Menschen müssen sich, damit Fehlallokationen vermieden werden, nach den markt- und wettbewerbsbestimmten Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsstandorten richten, sich gegebenenfalls umschulen, auch mehrfach umschulen, oder auswandern, Lebenswelt und Kulturraum verlassen. Wollen wir das, Herr Bundesminister?
Nimmt das Recht hier nicht Grenzziehungen und Zuordnungen vor, verlieren die erwähnten Faktoren und insbesondere die Menschen, für die die Wirtschaft doch dasein sollte, gegenüber dem reinen Marktprinzip Eigenstand und Subjektqualität? – Sie werden dann unter die Funktionalität und Fungibilität von Kapitalverkehr, Daten- und Know-how-Transfer, Produktionskosten, Gewinnerwartungen und wirtschaftlichen Wachstumschancen subsumiert, ohne demgegenüber eine Widerständigkeit durchhalten zu können.
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