Bundesrat Stenographisches Protokoll 651. Sitzung / Seite 37

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strukturen im Jägerbereich einnehmen, wir werden dann auch das Kommando Auslandseinsätze etablieren und somit die wichtigsten Schritte – organisatorisch gesehen – betreffend Neustruktur gemacht haben. Es werden gleichzeitig auch die entsprechenden Besetzungen erfolgen, sodaß die Struktur nicht nur theoretisch gegeben, sondern auch entsprechend mit Personen besetzt ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Inwieweit trägt diese Reform einer neuen Aufgabenstellung des Bundesheeres Rechnung?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Man muß sagen, daß sich mit dem Ende des kalten Krieges die Aufgabenstellung zweifellos sehr stark geändert hat. Die erste Phase war, daß wir von der alten Raumverteidigung auf ein Verteidigungsdispositiv umgestellt haben, das grenznah war, das auf der anderen Seite auch mehr Präsenz als vorher erfordert hat. Das, was wir heute sagen können, ist, daß sich sicherlich der Mix von den Aufgabenstellungen insgesamt verändert hat.

Ich gehe üblicherweise von den drei verfassungsmäßigen Aufgabenstellungen des Bundesheeres aus, nämlich erstens die Landesverteidigung im engeren Sinn, zweitens die Assistenzleistung für andere Bundesbehörden, wenn diese mit ihren Kräften nicht mehr auskommen, das heißt etwa, die Assistenz an der burgenländischen Grenze, an der Ostgrenze, aber auch die Assistenz bei Katastropheneinsätzen, die zweifellos zu einem sehr wichtigen Faktor geworden ist, und drittens der Auslandseinsatz, der auch von unserer Seite vorgesehen wird, im Zuge einer internationalen Solidarität, aber auch in der Erkenntnis, daß Sicherheit heute niemand mehr alleine erzeugen kann, sondern daß es notwendig ist, Krisenherde, insbesondere jene, die vor der Haustür liegen oder die längerfristig auch im europäischen Randbereich für uns von Belang sein können, frühzeitig zu stabilisieren, um negative Rückwirkungen auf uns von vornherein zu verhindern.

Was man sagen kann, ist, daß sich zweifelsohne in Zukunft im Gesamtmix ein wesentlich stärkeres Gewicht für die Auslandsaufgaben ergibt, wenn man etwa davon ausgeht, daß der Balkan auf längere Zeit ein Krisenherd erster Ordnung sein wird und daß Österreich eminentes Interesse daran hat, daß der Konflikt nicht um sich greift, weil das nicht nur enorme wirtschaftliche Auswirkungen hätte und nicht nur humanitäre Überlegungen absolut im Vordergrund stehen, sondern auch weil wir unmittelbar erkennen können, daß jedesmal dann, wenn es eine Krise oder eine stärker krisenhafte Situation am Balkan gibt, wenige Tage später bereits die Auswirkungen in Form von mehr Aufgriffen an der Ostgrenze spürbar sind. Wir leben in einem vernetzten System und haben daher großes Interesse, das zu tun. Das heißt, man kann sagen, in Zukunft werden Auslandseinsätze wahrscheinlich noch mehr Gewicht haben.

Es hat selbstverständlich die Assistenz nach wie vor ein besonderes Gewicht innerhalb des Gesamtspektrums, es wäre aber völlig falsch, darüber den Bereich der eigenen Landesverteidigung zu vergessen, insbesondere deshalb, weil wir uns darauf einstellen müssen, daß es selbstverständlich neue Gefahren und Gefährdungen gibt. Ich möchte das auch hier in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen: Es ist falsch, immer in den alten Kategorien zu denken. Selbstverständlich haben wir nicht mehr das Bedrohungsbild aus der Zeit des kalten Krieges. Aber hat es Ihnen nicht zu denken gegeben, daß es auch in Europa eine Organisation gibt, die vor wenigen Tagen auf Knopfdruck in der Lage war, in fast einem Dutzend europäischer Hauptstädte fast zeitgleich Botschaften zu besetzen, die die entsprechenden Aufklärungsergebnisse hat (Bundesrat Dr. Böhm: Treffend!) und die international mit Gewaltanwendung droht (Bundesrat Dr. Tremmel: Die die schleichende Unterstützung gewisser Parteien hat!), auch wenn sich diese zurzeit noch nicht auf Europa konzentriert?


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