Bundesrat Stenographisches Protokoll 652. Sitzung / Seite 43

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den Jägerregimentern ist das, wie das auch international üblich ist, nicht vorgesehen – mit einer Ausnahme: Wir werden in Zukunft bei der ersten Brigade, die eine gehärtete, das heißt, eine mechanisierte Brigade sein soll, ebenfalls ein Luftabwehrelement haben, und zwar im Hinblick darauf, daß es dort Panzerfahrzeuge geben wird. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Zum zweiten Komplex, nämlich zum Gesamtkomplex der Frage der Vorgangsweise und der Neutralität beziehungsweise der NATO und der rechtlichen Beurteilung, ist vielleicht folgendes zu sagen: Man muß die Diskussion sicherlich bereits mit der Frage beginnen, um welche Art des Einsatzes es sich hiebei handelt. Wir stehen vor der Situation, daß es sich um eine militärische Aktivität handelt, die vom Sicherheitsrat nicht genehmigt oder angeordnet ist, die aber andererseits die offizielle Billigung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen hat, sodaß wir – ausgehend sozusagen von dieser Situation der Mandatserstellung bei den Vereinten Nationen – bereits vor einer absolut atypischen Situation stehen, sodaß die Qualifikation, ob es sich hiebei nach den internationalen Rechtsnormen eindeutig um Krieg handelt oder nicht, von vornherein auch unter den Rechtsgelehrten sehr umstritten ist. Sie werden eine ganze Bandbreite von Meinungen dazu vorfinden.

Zweifelsohne gibt es bestimmte Ableitungen. Ich sage Ihnen meine Qualifikation dazu: Ich gehe davon aus, daß sich die internationale Rechtsordnung nicht nur durch das jetzt bereits gesatzte Recht ergibt, sondern Sie wissen, daß es gerade im Völkerrecht auch andere Rechtsquellen gibt, wie es auch bereits in der Satzung der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommt, in der es etwa heißt, daß gemäß Artikel 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes folgende Rechtsquellen als gleichwertig gelten: a) internationale Übereinkünfte – das heißt, etwa die Satzung der Vereinten Nationen –, b) auch das internationale Gewohnheitsrecht und c) die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze. – Gerade der dritte Grundsatz ist einer, auf den sich sehr namhafte Vertreter der Staatengemeinschaft zur Begründung der Durchführung dieser Maßnahme im Rahmen der NATO stützen, da die Vereinten Nationen kein Mandat ausgestellt haben.

Tatsache ist, daß es sich hiebei natürlich um die Frage handelt: Was tut man, wenn die normalerweise dafür vorgesehene Institution – das sind die Vereinten Nationen – nicht in der Lage ist zu handeln? Muß man dann, wenn sich eines – und zwar nur eines – der Sicherheitsratsmitglieder, die vor 50 Jahren durch die damalige politische Konstitution dazu ausersehen waren, daß sie mit Vetorecht ausgestattet waren, verweigert, auf Ewigkeit davon ausgehen, daß die Staatengemeinschaft überhaupt handlungsunfähig geworden ist? – Das kann es ja nicht sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Insofern hat sich daraus natürlich auch folgerichtig nicht nur die Legitimation, sondern auch die Notwendigkeit des Einsatzes der NATO ableiten lassen. Selbstverständlich findet dieser Einsatz unter der freiwilligen Teilnahme seiner Mitglieder statt. Ich sage das deshalb, weil in der breiten Öffentlichkeit oft auch Unverständnis und Unwissen vorherrschen. Niemand ist als NATO-Mitglied gezwungen, an einer derartigen Mission teilzunehmen. Daher sind es bis jetzt auch nur 13 der 19 NATO-Staaten, die an dieser Mission teilnehmen, und nicht alle Mitglieder, weil es in jedem einzelnen Fall das souveräne Recht jedes Staates ist, zu beschließen, ob er sich an einer derartigen Mission beteiligt oder nicht. Wenn es sich um keinen Angriff handelt, steht es überhaupt frei, dann ist es nur eine Frage der gebotenen Solidarität und nicht einer rechtlichen Verpflichtung.

Was die Ableitung sozusagen über die Art und Weise der Handlung betrifft, muß gesagt werden, daß namhafte Juristen auch bei der Spezifikation des Krieges davon ausgehen, daß bestimmte Voraussetzungen vorhanden sein müssen, daß es formale Erfordernisse und nicht formale Erfordernisse gibt. Die meisten gehen etwa davon aus, daß ein Animus belli gerendi – das heißt, ein Wille, Krieg zu führen – vorhanden ist, und üblicherweise subsumiert man darunter ein Verhalten, das darauf abstellt, ein Land oder einen Gegner in seiner Gesamtheit sozusagen zu besiegen oder zu bekriegen. Das ist diesmal sicherlich nicht der Fall, sondern es geht eindeutig um eine begrenzte Aktion, die das Ziel hat, einem Aggressor die Waffe aus der Hand zu schlagen und eine Verhandlungslösung herbeizuführen. Das sind sicherlich die wichtigsten Ziele.


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