Bundesrat Stenographisches Protokoll 652. Sitzung / Seite 44

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Wenn wir jetzt den Rechtsstatus Österreichs ansehen, dann stellt sich für uns aufgrund der Tatsache, daß sich das Neutralitätsgesetz in Verfassungsrang befindet, sicherlich an allererster Stelle einmal die Frage, inwieweit das Haager Abkommen von 1907, das die Rechte und Pflichten der Neutralen regelt, anzuwenden wäre. Dort ist etwa vorgesehen, daß es im Kriegsfalle keine Durchfuhrerlaubnis von seiten der Neutralen geben sollte. Das ist auch der Anlaß, um hier nicht sehr tief in den Bereich der Rechtsunsicherheit zu gelangen, ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Das ist ein Fall, der sicherlich umstritten ist und nicht völlig eindeutig zu beantworten ist.

Aber ich kann Ihnen dazu sagen, daß die davon betroffenen Ministerien darin übereingestimmt haben, aufgrund der nicht eindeutigen Rechtslage jedenfalls keine Handlung zu setzen, die bis zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen könnte, selbst der Regierungsorgane im Falle einer abschließenden Beurteilung, daß es sich um ein kriegerisches Ereignis, daß es sich um Krieg handelt, sodaß die österreichische Bundesregierung davon Abstand genommen hat, Überflugs- oder Durchfuhrrechte zu gewähren. Sie wurden dann letztendlich auch nicht angefordert.

Das, was ich Ihnen dabei durchaus zugestehe, ist, daß selbstverständlich dadurch aufgezeigt wird, daß wir uns in einer Situation befinden, die als atypisch zu bezeichnen wäre. Wenn etwa namhafte Vertreter der Bundesregierung in der Öffentlichkeit erklären, das sei eine Aktion, die sein mußte (Bundesrat Dr. Bösch: Richtig und notwendig!)  – sie ist richtig und notwendig –, auf der anderen Seite aber die Rechtslage unseres Staates als so angesehen wird, daß uns auch das passive Dulden einer derartigen Aktion nicht gestattet ist, dann stellt sich sicherlich die Frage, ob es nicht angezeigt wäre, den dem Verhalten zugrunde liegenden Rechtsstatus zu verändern. Es ist Ihnen bekannt, daß ich immer ein Vertreter einer Richtung war, die davon ausgegangen ist, daß wir mit der Beendigung des kalten Krieges unsere sicherheitspolitischen Grundlagen nicht nur überdenken, sondern neu ausrichten müssen. Für mich ist dieser Fall eine Bestätigung dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich möchte vielleicht noch folgendes anfügen: Nach meiner Ansicht muß, wenn ein Staat auf Dauer auch in der internationalen Staatengemeinschaft glaubwürdig und kalkulierbar sein will, eine Übereinstimmung zwischen politischem Willen und auch den rechtlichen Möglichkeiten vorhanden sein. Das ist die Voraussetzung, wozu meiner Ansicht nach auch noch kommt, daß auch die organisatorische Voraussetzung dafür gegeben sein sollte.

All das sollte uns dazu veranlassen, daß wir – losgelöst von einem spezifischen Ereignis, aber bestärkt durch ein spezifisches Ereignis – an die Diskussion über die sich daraus ergebenden Rechtsfragen herangehen, daß wir sie gründlich diskutieren, weil dies selbstverständlich ein Grundverhalten und einen Grundstatus unserer Republik betrifft, daß wir das mit aller gebotenen Vorsicht und Gründlichkeit tun, aber auch mit der Entschlossenheit und der Entschiedenheit, die notwendig sind, wenn wir längerfristig, auch auf sicherheitspolitischem Gebiet ein kalkulierbarer Faktor der europäischen Politik sein wollen. Da sich die Europäische Gemeinschaft, der wir angehören, dazu entschlossen hat, auch die sicherheitspolitischen Fragen in ihren Aufgabenkatalog nicht nur aufzunehmen, sondern dort auch forciert zu behandeln, stellt sich diese Frage wahrscheinlich noch mit deutlich größerer Dringlichkeit und Notwendigkeit, als das in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl zur weiteren Beantwortung das Wort. – Bitte.

14.47

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Lieber Ministerkollege! Ich möchte einleitend fünf Bemerkungen zu den bisherigen Ausführungen des Herrn Bundesrates Bösch, aber auch zu den Ausführungen meines Ministerkollegen Werner Fasslabend machen.

Erstens, meine sehr geehrten Damen und Herren: So ernst ich die Situation im Kosovo und im ehemaligen Jugoslawien einschätze, so sehr möchte ich klar sagen, daß für Österreich kein Grund zur Panikmache besteht und daß in Österreich kein Grund besteht, die innere Sicherheit,


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