Bundesrat Stenographisches Protokoll 652. Sitzung / Seite 53

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Es wurde vorhin angesprochen, daß die NATO damit Aggressivität nach außen zeigt. Die NATO selbst ist vielleicht von Serbien nicht unmittelbar direkt bedroht worden – weshalb greift sie also ein? Wer glaubt, das Atlantische Bündnis sei lediglich ein Verteidigungspakt, der irrt? – Es ist grundsätzlich eine Wertegemeinschaft, bei der die Menschenrechte eine entscheidende Rolle spielen, und diese Menschenrechte werden den Kosovaren durch das Regime Milosevic in Belgrad vorenthalten. Daher die Luftangriffe.

Ich glaube, daß Tausende Menschen, nicht nur Albaner, sondern auch Serben, sehr wohl Europa um ihre Hilfe gebeten haben, nämlich dahin gehend, daß die Menschen in diesem Europa wieder in Frieden und Freiheit leben können, wie das in den letzten Jahrzehnten der Fall gewesen ist. Daß wir in diesem ausgehenden Jahrhundert furchtbare Erlebnisse gehabt haben, darauf muß auch hingewiesen werden.

Wenn hier auch die USA zitiert wurden, dann muß ich dazu eines sagen: Hätten die USA und die Insel England nicht Europa gerettet, dann wäre das Verbrechensregime eines Herrn Hitler nicht verschwunden.

Freilich könnte man die Berechtigung der NATO-Intervention in Frage stellen, dann aber muß er dazusagen, was die Alternative dazu wäre: ethnische Säuberung, das heißt Blutvergießen und Vertreibung ohne Hemmung, das heißt Herrschaft des Faustrechts und Belohnung für den Gewalttäter. Das heißt, daß weitere Länder, nicht nur der Kosovo, durch Milosevic gefährdet wären, denn auch das lehrt die Geschichte, nämlich daß ein Gewalttäter durch eine Eroberung nicht gesättigt, sondern noch hungriger wird. Denken wir da auch wieder an Hitler oder andere Leute solcher Art.

Die NATO bekennt sich also zu einer humanitären Pflicht, was über ein rein militärisches Bündnis hinausgeht. Auch Österreich bekennt sich zu dieser Pflicht, und in Verlautbarungen des derzeit tagenden Berliner Gipfels wird der Angriff auch im Namen der EU, also im weiteren Sinne zweifelsohne mit Duldung Österreichs, vertreten, als gehörte es der NATO an. Unser Fernbleiben vom Atlantischen Bündnis – das ist meine persönliche Meinung – beginnt ein Stück politischer Bewußtseinsspaltung zu werden, zumal bis zur letzten Stunde auch Österreichs Botschafter in Belgrad im Namen der EU und damit auch der NATO mitverhandelt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Es wurde auch schon vom Herrn Minister gesagt, daß kein einziges Land dazu verpflichtet ist, selbst handlungstätig zu werden, wenn es zu so etwas kommt. Der meiner Meinung nach längst überfällige Beitritt unseres Landes zu dieser westlichen Gemeinschaft wird von manchen immer noch als Tabu aus den fünfziger Jahren gehegt und gepflegt. Aber, wie gesagt, wir brauchen nicht teilzunehmen, sondern wir wollen gemeinsam in Europa Frieden, Freiheit und Sicherheit haben. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Um es noch einmal und noch deutlicher zu sagen: Die NATO ist für ihre Mitglieder nicht nur ein Instrument zur eigenen Verteidigung – das selbstverständlich –, sondern vor allem eines, das anderen Völkern, die bedroht sind, Schutz bieten will. Deshalb gilt auch nicht der Hinweis österreichischer NATO-Gegner, daß das Land gar nicht bedroht sei. Man kann – das gilt jetzt meiner Überzeugung nach auch gegenüber Österreich – nicht auf Dauer in der parasitären Haltung verharren, daß man gegebenenfalls einen Schutz zwar in Anspruch nimmt, eine Leistung dafür aber nicht erbringen will. Auch das ist eine geschichtliche Lehre. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir diesen Konflikt noch dazu unmittelbar vor unseren Türen sehen, dann muß uns diese Problematik ganz klar sein. Ich selbst bin Steirer, ich habe im Jahre 1991 mit eigenen Augen an der Grenze gesehen, was dort passiert ist. Ich habe von Unterradkersburg – das ist auf der steirischen Seite – auf Oberradkersburg – das ist auf der slowenischen Seite – geschaut und habe dort die Kampfhandlungen gesehen.

Es wurde auch heute schon vom Herrn Minister erwähnt, daß wir Gott sei Dank Lenkwaffen haben, daß solche Einflüge nach Österreich in der Form, wie es damals leider auch geschehen ist, nicht mehr möglich sind.


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