Bundesrat Stenographisches Protokoll 652. Sitzung / Seite 54

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Ich glaube, wir müssen auch zu einer zweiten Sache, nämlich zur Anfrage bezüglich der inneren Sicherheit Stellung beziehen. Bei allen Bemühungen, den Staat schlanker zu machen, ihn von überflüssigen Aufgaben zu befreien und somit seine Handlungsfähigkeit und Effizienz zu erhöhen, muß bedacht werden, bei welchen Aufgaben dem Staat die einzige Zuständigkeit zukommt. Zu den ganz wenigen Bereichen, in denen das staatliche Monopol unangreifbar ist, gehört die innere Sicherheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das liegt in der rechtsstaatlichen Bedeutung des Staates begründet. Er ist zunächst und wesentlich eine Vereinbarung von Einzelmenschen, die ihr Recht auf Selbstverteidigung und Aufrechterhaltung des inneren Friedens nicht persönlich ausüben wollen, sondern an die Gemeinschaft, den Staat, abgeben. Dieser übernimmt dadurch nicht nur ein Recht, sondern er hat sogar die Verpflichtung, das ihm übertragene Gewaltmonopol auch auszuüben, das heißt, dem Recht Geltung zu verschaffen und jene zu verfolgen, die es verletzen. Da dürfen keine Zweifel entstehen, wenn der Bürger seine Loyalität dem Staat gegenüber behalten soll.

Es geht nicht an, daß in einer Welt, in der sich die organisierte Kriminalität über Unsummen an Kapital hinaus auch politische Macht anzuhäufen oder auszuüben versucht, die Polizei mit den Mitteln von gestern gegen Verbrecher, die mit der modernsten Technik ausgestattet sind, vorzugehen versucht. Auf diese Weise kann es nicht ausgeglichen werden, daß die Kriminellen mit wachsender Bedenkenlosigkeit und Brutalität vorgehen, während sich die Polizei naturgemäß die Beschränkungen der Rechtstreue auferlegen muß. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es gilt also folgendes: Die Verteidiger des Rechtes müssen personell, technisch und rechtlich erstklassig ausgerüstet sein. Herr Minister Schlögl hat das auch gesagt. Wir brauchen eine Stärkung der inneren und der äußeren Sicherheit, die kombiniert und europareif sein muß. Deswegen, so glaube ich, ist es sicherlich richtig, zu sagen, daß wir Europäer ein Europa in Frieden, Freiheit und Einheit brauchen. Wir müssen dort helfen, wo es notwendig ist, zumal das ein historisch sehr wesentlicher Teil unseres Kontinents ist. Gerade wir Österreicher haben gegenüber diesem Bereich sehr viel historische Verantwortung, empfinden Freundschaft und haben Wissen. Das haben wir auch nach Europa hineinzutragen, und wir können nur hoffen und alles daransetzen, daß Frieden und Freiheit auch dort Einzug finden werden. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesräte Gstöttner und Dr. Tremmel. )

15.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

15.34

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich kann mir nicht vorstellen, in dieser Debatte das Wort zu ergreifen, ohne auf die Situation einzugehen, der wir diese dringlichen Anfragen und diese Debatte verdanken. Ich möchte das nicht als Versuch sehen, politisches Kleingeld einzuwechseln, denn ich glaube nicht, daß eine solche Debatte der richtige Moment ist, den Wunsch nach einem Beitritt zur NATO zu begründen oder zu begründen, warum es klug ist, der NATO nicht beigetreten zu sein. Ich glaube auch nicht, daß es der richtige Augenblick ist – zum Teil ist das in dem Text dieser Anfrage enthalten –, eine pauschale Verdächtigung gegen Menschen auszusprechen, die mit uns gemeinsam leben.

Wir stehen – das gilt vermutlich für jeden einzelnen – mit einer tiefen Gespaltenheit den Ereignissen gegenüber, wiewohl wir gleichermaßen Verständnis – das ist es im übrigen, was der Herr Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht hat – für den Versuch empfinden, eine humanitäre Katastrophe mit Waffengewalt zu verhindern, und zugleich tiefes Unbehagen, Empörung darüber empfinden, daß die Anwendung von Gewalt, die nicht von der UNO legitimiert ist, die einzige Möglichkeit sein soll, das zu erreichen.

Im Gegensatz zu meinen Vorrednern habe ich nicht das Bedürfnis, eine Patentlösung zu offerieren. Ich bekenne mich zu diesem Zwiespalt, es ist mir bewußt, wie wenig befriedigend diese Haltung ist, aber ich weigere mich – ich sage das noch einmal –, das jetzt zum Anlaß zu nehmen und eine für den innenpolitischen Konsum bestimmte Festlegung vorzunehmen.


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