Bundesrat Stenographisches Protokoll 652. Sitzung / Seite 55

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Ich glaube, daß wir zwei Dinge durchaus gemeinsam tun können und sollen: Gerade aus diesem Land, dessen ursprünglicher Bürger jener Offizier war, der die erste Bombardierung Belgrads kommandiert hat, gerade aus jenem Land, das sich historisch von jenem Staat ableitet, in dem der unsägliche Slogan "Serbien muß sterbien" erfunden wurde, sollte klar zum Ausdruck gebracht werden, daß wir in einer solchen Situation mit den Menschen in Serbien, mit den Menschen im heutigen Jugoslawien – egal, ob es Serben oder Kosovaren sind – fühlen und daß wir zuallererst in uns das Bedürfnis spüren, an sie zu appellieren, einen Weg zu finden, ihre Differenzen im Gespräch zu lösen, auch wenn einem die Vernunft sagt, daß es nach allem, was geschehen ist, für diesen Versuch reichlich spät ist.

Ich möchte ein Zweites dazu sagen: Ich glaube, daß wir uns mit den Menschen, die mit uns gemeinsam in unseren Staatsgrenzen leben und durch Herkunft, familiäre Bande und andere Beziehungen mit den Konfliktparteien in Serbien verbunden sind, auch verbunden fühlen, weil man sich gut vorstellen kann, wie jemand in unserem Land leben wird, der weiß, daß es dort, von wo er her ist, wo seine Familie vielleicht noch lebt, Bombenangriffe oder Übergriffe der serbischen Polizei gibt.

Die Antwort des Herrn Innenministers hat mit großer Deutlichkeit gezeigt, daß diese Menschen – von mikroskopischen Ausnahmen abgesehen – sehr wohl wissen und bisher bewiesen haben, daß sie in der Gemeinschaft unseres Landes leben und daß sie ihre Konflikte, deren Teil sie bleiben, auch wenn sie hier leben, nicht hier austragen können und sollen. Unserem Verständnis für die schwierige Situation, in der diese Menschen in Österreich leben, wollen wir auch die Erneuerung der Aufforderung beifügen, es dabei zu belassen. Sympathie gegenüber der Seite, der man sich zurechnet, ist zutiefst verständlich, aber die konkrete Ausübung dieser Sympathie in Formen, die unserem gemeinschaftlichen Zusammenleben nicht entsprechen, hat es erfreulicherweise bisher nicht gegeben, und wir wollen hoffen, daß es so bleibt.

Ich glaube, daß die beiden Anfragebeantwortungen deutlich gezeigt haben, daß die österreichische Bundesregierung die Entwicklung sowohl im Bereich der militärischen als auch der polizeilichen Sicherheit sehr genau verfolgt und sehr gut auf die Herausforderungen, die diese Stunde bedeuten kann, vorbereitet ist. Wir hoffen, daß diese Vorbereitungen nicht notwendigerweise zum Tragen kommen müssen. Wir hoffen, daß die Auseinandersetzungen an einem Punkt beendet werden können, an dem der große Flüchtlingstreck noch nicht unterwegs ist.

Wir hoffen, daß es sich um Wichtigmacher, Panikmacher handelt, die den Eindruck erwecken wollen, Europa werde mit Terror überzogen. Aber die Möglichkeit, daß wir beiden Herausforderungen gegenüberstehen, gibt es natürlich, und daher ist es gut und richtig, darauf vorbereitet zu sein.

Europa – davon war die Rede – kann auf der einen Seite auch für den eigenen Bereich nicht auf Dauer hinnehmen, daß es nicht aus eigenem heraus handlungsfähig ist. Aber ich glaube nicht – ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es nicht so sein kann –, daß wir, wenn wir schon von Europa aus nicht Weltgendarm sind, uns wenigstens als Regionalgendarm profilieren können und sollen. Es sind in diesem Europa in einem System der Gemeinsamen, bewußt so genannten Außen- und Sicherheitspolitik auch jene Instrumente zu verfeinern und jene Möglichkeiten auszuloten, mit denen – anders als mit Waffengewalt – Konflikte bereinigt, die Unterdrückung von Volksgruppen oder politischen Bewegungen in einzelnen Ländern verhindert werden können. Das ist die tatsächliche Herausforderung in diesem Konflikt und in vielen anderen Konflikten, mit denen wir konfrontiert sein können und vielleicht auch werden. Nicht eine neue Kanonendiplomatie, sondern ein System abgestufter Pressionen, ein System initiativer und offensiver Verhandlungen kann und muß es sein, das uns zu Lösungen bringt, damit die Menschen, die dort betroffen sind, nachher wieder miteinander leben können, weil sie miteinander leben müssen.

Die Tragödie im Kosovo, die noch nicht abgewendet ist, und die Tatsache, daß in Serbien ein Regime an der Macht ist – ich habe das in vielen Facetten in den letzten Monaten sehr hautnah miterlebt –, das sich an keine Rechtsnorm, weder des nationalen noch des internationalen Rechts, hält, sind eine Herausforderung. Ich glaube, daß wir uns in dieser Zeit – diese Aus


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