Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 16

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tersberg-Aktionen teilzunehmen. Daher: Von "unverändert" kann nicht die Rede sein, und sollte eine solche Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik entstehen, würde sie selbstverständlich auch eine weitere Veränderung bedeuten.

Man kann jetzt darüber diskutieren, ob das eine Abschaffung der Neutralität bedeutet. Ich glaube nicht, denn es bleiben eben Restbestände erhalten, wo Sie selbstverständlich auch weiterhin eine eigenständige neutrale Position einnehmen können. Aber es wird immer weniger wichtig. Im Rahmen der Europäischen Agenda ist selbstverständlich Solidarität gefragt. Das ist aber genau die gleiche Meinung, die Ursula Stenzel oder Andreas Khol immer wieder zum Ausdruck gebracht haben. Von einer unveränderten, quasi von 1955 bis 2045 reichenden unveränderten Neutralität kann sicher nicht die Rede sein. Die Welt hat sich geändert, unser Neutralitätsverständnis, unsere Solidaritätsnotwendigkeit, unser Empfinden für ein gemeinsames Handeln haben sich geändert, und ich finde es ganz in Ordnung, daß wir das auch offen und ehrlich sagen. Man soll den Leuten reinen Wein einschenken, und das tue ich hiemit.

Präsident Gottfried Jaud: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund dieser eben gestellten Frage möchte ich Sie alle noch einmal daran erinnern, um gleich den Anfängen zu wehren, ohne kleinlich erscheinen zu wollen: Nach § 63 Abs. 5 der Geschäftsordnung hat jede Zusatzfrage mit der Hauptfrage in unmittelbarem Zusammenhang zu stehen. Es darf nur eine konkrete Frage gestellt werden; sie darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt werden. (Bundesrat Dr. Böhm: Das war es auch!)

Wir kommen nun zur 5. Anfrage, 1038/M, an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten. Ich bitte Herrn Bundesrat Erhard Meier um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1038/M-BR/99

Welche institutionelle Weiterentwicklung der EU (Rat, Kommission, Parlament, Kontrolle, Gerichtsbarkeit) ist vor allem im Hinblick auf die Erweiterung notwendig?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Persönlich glaube ich, daß diese Reformen in jedem Fall notwendig sind, auch wenn wir die Union überhaupt nicht erweitern würden. Aber es ist richtig, daß der Erweiterungszusammenhang immer wieder offen angesprochen wird.

Wir haben einige Punkte, die beim Amsterdamer Vertrag offengeblieben sind. Das ist einmal die Frage der Zahl der Kommissäre. Im Moment ist es so: Jedes Land hat einen Kommissär, fünf große Länder haben zwei Kommissäre. Würde jetzt eine Erweiterung stattfinden, hätten die meisten Länder einen Kommissär zusätzlich, und die Polen wären dann mit zwei Kommissären in der Kommission vertreten. Daraus ergibt sich die Gefahr, daß die Kommission zu groß und damit handlungsunfähig würde. Wir haben diskutiert, hatten damals aber keinen Konsens, daß man nach einer bestimmten Zeittabelle – das kann mit der Erweiterung Hand in Hand gehen – die Zahl der Kommissionsmitglieder auf generell einen Kommissär pro Land beschränkt. Das ist, so glaube ich, eine vernünftige Lösung. Österreich ist dafür.

Die großen Länder sagen, sie wären bereit, darüber zu reden – einen Konsens gibt es noch nicht –, aber es müßte dann darüber nachgedacht werden, daß man das Stimmgewicht im Rat anders gliedert. Vergleich: Österreich hat vier Stimmen im Rat, die Deutschen, deren Einwohnerzahl zehnmal höher ist, haben zehn Stimmen im Rat. Über eine solche Gewichtung in einem geringen Umfang kann man sicherlich diskutieren. Sie spielt auch, ehrlich gesagt, in der Praxis eine relativ geringe Rolle. Es geht im wesentlichen eher um die Frage der Sperrminoritäten, ab wann man bei qualifizierter Mehrheit einen Beschluß verhindern kann.


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