Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 21

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Präsident Gottfried Jaud: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Hat Österreich schon offizielle Verhandlungen über die Freizügigkeit von Arbeitskräften aus den genannten Länderbereichen eingeleitet?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Es ist genauso, wie ich es soeben gesagt habe: Über diese zwei heiklen Kapitel "Landwirtschaft" und "Migration beziehungsweise Freizügigkeit des Personenverkehrs" sind die Beratungen noch nicht einmal von der Kommission mit den betroffenen Ländern begonnen worden. Sie werden wahrscheinlich in den nächsten Wochen beginnen. Aber ich bin nicht einmal sicher, ob schon unter finnischem EU-Ratsvorsitz diese politischen Verhandlungen beginnen werden. Es wird meiner Einschätzung nach erst in einem Jahr mit den Verhandlungen auf politischer Ebene begonnen werden.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 1051/M, an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten. Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1051/M-BR/99

Aus welchen Gründen halten Sie nach wie vor daran fest, daß die Frage der Aufhebung der menschenrechts- und völkerrechtswidrigen Beneš-Dekrete in der Tschechischen Republik und der AVNOJ-Bestimmungen in Slowenien eine bilaterale und keine EU-relevante Angelegenheit ist?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Zum ersten halte ich fest – wir haben das schon einige Male auch im Bundesrat diskutiert –, daß es in der Bewertung der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Dekrete als menschenrechtswidrig und völkerrechtswidrig nichts Trennendes gibt. Ich glaube, daß das alle Fraktionen so sehen. Die Flüchtlingsströme der Sudetendeutschen, der Mährer oder der Donauschwaben sind ganz ähnlich beziehungsweise genauso zu sehen – und zwar mit Schmerz und Trauer und zum Teil auch mit ohnmächtigem Entsetzen, auch nachträglich, 50 oder 55 Jahre danach – wie die heutigen Flüchtlingsströme im Kosovo oder jene in Bosnien oder sonstwo. Da gibt es überhaupt keinen Unterschied.

Die konkrete Frage, die Sie mir stellen, möchte ich folgendermaßen beantworten: Beim EU-Beitrittsprozeß kann nur der EU-Rechtsbestand verhandelt werden. Selbstverständlich gibt es eine ganze Reihe von Themen, die politisch besprochen werden können und sollen und auch werden. Es sind auch nicht beispielsweise – der Vergleich ist jetzt nicht 100prozentig treffend, aber ich möchte doch darauf hinweisen – beim Beitritt Österreichs zur Europäischen Union Fragen der Vermögensrestitution an Holocaust-Opfer oder an andere Personen diskutiert worden, und zwar deshalb, weil das mit dem EU-Rechtsbestand nichts zu tun hat. Das hindert natürlich überhaupt nicht, daß all diese Themen politisch angesprochen werden, wie wir das auch immer wieder tun.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Entschließung des EU-Parlaments verweisen, die – allerdings auch ohne Junktim mit dem EU-Erweiterungsprozeß – meiner Meinung nach eine sehr vernünftige Wortwahl, ein sehr gutes Wording, eine sehr gute Wortfassung gefunden hat. Das geschah übrigens auf Initiative von Otto von Habsburg.


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