Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 30

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Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wie ich schon gesagt habe, waren dies eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Sanktionen. Erstens gibt es ein fast lückenloses Handelsembargo. Es gab jetzt neu das Ölembargo, das es aber auch schon früher einmal gegeben hat. Weitere Maßnahmen sind das Einfrieren der Auslandsguthaben, das Investitionsverbot, die Flugverbote, die Visaverbote.

Es hat also ein ganzes Bündel von Sanktionsmaßnahmen gegeben, die natürlich erstens einmal nicht ganz so einfach zu kontrollieren sind, wie man sie beschließt. Zweitens haben wir auch immer wieder den Verdacht gehabt, daß sie nicht von allen gleich intensiv umgesetzt wurden wie etwa von uns oder auch von den meisten EU-Staaten. Das heißt, über wirtschaftliche Sanktionen alleine – das war ganz klar – ist es nicht gegangen.

Präsident Gottfried Jaud: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben es schon angeschnitten, die EU-Außenminister waren sich darüber einig, daß die Verantwortlichen für Deportationen, Folter und Mord an Kosovo-Albanern vor das Kriegstribunal von Den Haag gestellt werden sollten. Welche Personen, Herr Bundesminister, würden Ihrer Meinung nach darunterfallen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die OSZE führt zum Beispiel – übrigens auch mit vielen anderen NGOs, Amnesty beispielsweise – in allen Flüchtlingscamps derzeit – und das finde ich ganz wichtig –, sobald die Flüchtlinge kommen, eine Befragung der erwachsenen Personen durch, um festzustellen und auch mündliches Beweismaterial darüber zu sammeln, was geschehen ist. Das wird aufgenommen, das wird auf Bänder überspielt. Dieses Beweismaterial wird gesichert.

Die Erzählungen sind zum Teil entsetzlich. Ich habe mit ein, zwei solchen Experten gesprochen, die in den Lagern selbst solche Gespräche führen. Ich bin aber überzeugt davon, daß wir nur einen kleinen Bruchteil von dem wissen, was wirklich geschehen ist. Das wird alles schrittweise herauskommen, so wie es auch beim Bosnien-Krieg war, als alle noch auf die Belagerung von Sarajewo geschaut haben, über die man einfach die Fernsehbilder gehabt hat, aber die wirklichen Kriegsverbrechen, die viel erschütternder sind, sind im Nordosten oder im Nordwesten geschehen, Dinge, über die man – damals jedenfalls – überhaupt keine Kenntnis gehabt hat. Genauso ist es hier.

Daher will ich jetzt nicht – das kann ich auch gar nicht – einzelne Namen nennen, sondern aufgrund dieser Beweisführung wird das Material zur Gänze an das Kriegsverbrechertribunal übergeben werden. Dieses ist völlig unabhängig, und es wird die Anklagen erheben, so wie es das auch im Bosnien-Krieg gemacht hat. Es wird dann natürlich eine Frage der Durchsetzbarkeit und der Durchsetzung sein.

Schauen Sie, ich glaube, daß die Mühlen der Gerechtigkeit zwar manchmal sehr langsam mahlen, aber sie mahlen. Ich bin überzeugt davon, daß am Ende niemand seiner gerechten Strafe entkommen wird, oder jedenfalls die überwältigende Anzahl ihr nicht entkommen wird. Ich finde das auch richtig.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage, 1040/M, an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten. Ich bitte Frau Bundesrätin Hedda Kainz um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Sie sind zwar in Ihrer Beantwortung von Fragen schon teilweise auf diesen Problemkreis eingegangen, aber trotzdem möchte ich Sie in einer eigenständigen Fragen mit folgendem konfrontieren:


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