Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 43

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samkeiten der Kulturgüter und insbesondere auch der Gedanke der sozialen Lebensbedingungen in Europa. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der entsetzlichen kriegerischen Auseinandersetzungen, der geradezu mittelalterlichen Barbarei zum einen gegen den Schutz und die Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte und der Vertreibungen im Kosovo zum anderen, steht der Europarat heute, vor dem Eintritt in das dritte Jahrtausend, vor bedeutenden Herausforderungen.

Als älteste europäische Organisation, die fast alle Staaten Europas vereint, kann der Europarat mit Recht eine Bestandsaufnahme der politischen Integration des Kontinents durchführen und die erforderlichen Lehren daraus ziehen – mit dem Ziel, die Bande zu stärken, die seine Völker verbinden. Nach dem Ende des Kalten Krieges, der die Vision überschattete, die von einigen Gründervätern in bezug auf die Aufgabe der Organisation zum Ausdruck gebracht worden war, und zwar eine weiter gefaßte und stärker einigende Vision als die derzeitige, muß nun erneut das gesamte europäische Ideal der Gründerväter von einer transnationalen politischen Macht auf der Grundlage einer europäische Gesamtverfassung aufgegriffen werden.

Der Europarat, insbesondere dessen Parlamentarische Versammlung, erkennt die Fortschritte der Europäischen Union an, stellt aber gleichzeitig fest, daß die Schwierigkeiten bei dem Verfahren der Erweiterung um die Staaten, die derzeit eine Mitgliedschaft anstreben, bedeuten, daß weitere Kandidaturen über viele Jahre hinweg nicht vorgesehen werden.

Ohne einen Rahmen, innerhalb dessen alle europäische Staaten einen Dialog führen und institutionalisierte politische Verbindungen knüpfen können, wird die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union einerseits und dem Europarat andererseits bedauerlicherweise in gewisser Hinsicht vom Zufall bestimmt sein.

Meine Damen und Herren! Diese für die Zukunft Europas entscheidende Zusammenarbeit muß der Identität beider Institutionen Rechnung tragen, auch wenn das bedeutet, daß eine Verdoppelung der Bemühungen unvermeidlich ist, und zwar betreffend Wirtschaft, Industrie und Finanzen im Falle der Union einerseits, demokratische Werte, sozialer Zusammenhalt, Bekämpfung der Armut, Landschaftsschutz, Vielfalt der Kulturgüter, Verteidigung vor allem der Minderheitenkulturen im Falle des Europarates andererseits.

Ich darf an dieser Stelle einen persönlichen Geburtstagswunsch anführen und wäre dankbar, wenn Österreich die Ratifikation der Charta des Europarates über Regional- und Minderheitensprachen ehestens vornehmen könnte.

Meine Damen und Herren! Die Parlamentarische Versammlung des Europarates, der ich die Ehre anzugehören habe, hat mehrfach betont, daß der Europarat, dessen politisches Ziel in seiner Satzung festgelegt ist, den Rahmen bietet, der in der auf dem ersten Gipfel in Wien, am 9. Oktober 1993, verabschiedeten Erklärung bestätigt wurde, nämlich: Der Europarat ist die herausragende politische Institution Europas, welche die neuen, von der kommunistischen Unterdrückungsherrschaft befreiten Demokratien Europas auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der dauerhaften Strukturen aufnehmen kann. – Aus diesem Grund ist der Beitritt dieser Länder zum Europarat ein zentraler Faktor des europäischen Aufbauwerks.

Die auf dem zweiten Gipfel in Straßburg, 1997, verabschiedete Erklärung beschränkte sich im Gegensatz dazu darauf, die wichtigsten Aufgaben des Europarates zu präzisieren. Wenn der Europarat nicht lediglich eine Fachbehörde für bestimmte Bereiche werden möchte, muß die Rationalisierung, deren Wirksamkeit wohl sehr lobenswert ist, der entscheidenden politischen Rolle Rechnung tragen, die die Organisation im Prozeß des europäischen Aufbauwerks spielt.

Meine Damen und Herren! Die innerhalb des Europarates entdeckte neue Einheit des Kontinents Europa als Teil des Prozesses einer Europäischen Integration kann nur erreicht werden, wenn die Völker eine europäische Identität, die ihre nationale Identität ergänzt – nicht ersetzt, sondern ergänzt! –, anerkennen und durch die ethischen Grundsätze in das Zentrum der politischen Tätigkeit gerückt werden. Ohne diese grundlegende Idee werden die Völker Europas


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