Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 102

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

16.35

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die dringliche Anfrage der Freiheitlichen ist offensichtlich darauf gerichtet, nicht nur die innerhalb der sozialdemokratischen Regierungspartei in Fragen der Sicherheitspolitik vorherrschenden Spannungen und Unsicherheiten deutlich zu machen und zu verstärken, sondern auch zwischen den Koalitionspartnern in Vorwahlzeiten Zwietracht zu säen. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Letzteres wird nicht gelingen, da ich glaube, sagen zu können, daß zumindest die Haltung meiner Fraktion offen und berechenbar bleibt. Es wurde heute auch hier schon Vizekanzler Schüssel des öfteren zitiert. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben nichts zu verbergen, auch nicht, daß wir auch in unseren eigenen Reihen den Nachdenkprozeß über die für Österreich optimale Sicherheitspolitik auch in den kommenden Wochen und Monaten am Leben erhalten werden, auch wenn wir keinen Wert darauf legen, durch ein Hinaustragen dieses Nachdenkprozesses über unsere Grenzen hinaus gerade in einer sicherheitspolitisch so sensiblen Situation wie jetzt zusätzlich Unsicherheit und Verwirrung vor allem bei unseren Partnern in der EU und in der euro-atlantischen Kooperation zu stiften.

Zu Neutralitätsaussagen des Herrn Bundeskanzlers darf ich nur einen Kommentar aus den "Salzburger Nachrichten" vorlesen, und zwar von Alexander Burger, 3. 5. 1999. Der Kommentar heißt "Das doppelte Viktorchen". Darin heißt es: Viktor Klima existiert offenbar in zweifacher Ausfertigung. Der eine Viktor Klima hat unlängst beim EU-Gipfel in Berlin die NATO-Schläge gegen Serbien begrüßt und als notwendig bezeichnet. Der andere Viktor Klima teilt nun in Wien mit, daß Österreich, falls in der EU darüber abgestimmt worden wäre, die NATO-Schläge gegen Serbien blockiert hätte, da es für sie kein UNO-Mandat gibt. Der eine Viktor Klima fordert den Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems, der andere Viktor Klima läßt seinen Klubobmann sagen, daß Österreich dieses sich abzeichnende Sicherheitssystem, nämlich Verschmelzung EU-WEU und die Möglichkeit von EU-geführten Militäraktionen und Nutzung von NATO-Strukturen, verhindern wird. Der eine Viktor Klima läßt im EU-Wahlkampf nicht etwa seinen Spitzenkandidaten plakatieren, sondern sich selbst mit seinem Freund Tony Blair. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Der andere Viktor Klima will von den sicherheitspolitischen Vorstellungen Tony Blairs nichts wissen. Der eine Viktor Klima hat zugestimmt, daß Österreich mit der EU ein Handelsembargo gegen Serbien verhängt. Der andere Viktor Klima behauptet, daß Österreich neutral sei. Damit ist klar, warum die beiden Viktor Klimas eine fünfjährige Nachdenkpause über die Neutralität verlangen. (Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um daraufzukommen, was die zwei in der Sicherheitspolitik tatsächlich wollen, muß man mindestens fünf Jahre nachdenken. – So die "Salzburger Nachrichten" vom 3. 5. 1999, Alexander Burger.

Ich persönlich kann natürlich – jetzt bin nicht mehr bei den "Salzburger Nachrichten" – nicht verhehlen, daß sich einige Elemente der Anfrage durchaus mit meinen Ansichten decken. Meine Präferenz für eine ehestmögliche Integration unseres Landes in eine Euro-Atlantische Partnerschaft sind bekannt und haben sich nicht geändert. Mir ist aber auch klar und bewußt, daß unsere Landsleute in vielen Jahren unsere Neutralität und ihre vermeintlich bequemen Auswirkungen liebgewonnen haben. Man glaubt, für die eigene Sicherheit nach außen nur ein Minimum an Belastungen auf sich nehmen zu müssen (demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen) – dies oft, ohne sich selbst über ihren Inhalt und vor allem die in den letzten Jahren eingetretenen Wandlungen gänzlich im klaren zu sein. Daher wird es weiterhin erforderlich sein, die Öffentlichkeit über diesen Inhalt der Neutralität im Verhältnis zu anderen sicherheitspolitischen Optionen für unser Land zu informieren, allerdings in Form einer ruhigen und sachlichen Diskussion und nicht mit schrillen Wahlkampftönen.


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