Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 123

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Herr Kollege Tremmel! Ich glaube, wir stimmen darin überein, daß Kriege generell eine Katastrophe und fürchterlich sind und daß es gilt, Kriege, wo immer es geht, zu verhindern, und zwar mit aller Kraft, die uns zur Verfügung steht.

Ich erinnere auch an Staaten, die neutral waren und in der Vergangenheit Großes geleistet haben. Ich denke dabei zum Beispiel an Schweden, in einem anderen Sinne auch an die Schweiz, die nicht immer das gemacht hat, was man von einem neutralen Staat hätte erwarten können – wir wissen das, und Sie wissen, was ich damit meine.

Herr Kollege Liechtenstein! Ich verstehe deine NATO-Euphorie nicht und auch nicht das Verlangen, dort sofort beizutreten. Ich habe schon sehr viele Kommentare von dir gelesen, ich habe periodisch, so alle zwei Monate, von dir hier vernehmen dürfen: Österreich muß in die NATO, besser heute als morgen!, aber bis heute weiß ich nicht, warum du dieser Meinung bist. Das hast du noch nie gesagt, du sagst immer nur, daß wir beitreten sollen. Ich weiß nicht, ob das aus der Vergangenheit deiner Familie, der tausendjährigen Geschichte resultiert, daraus, daß in der Kaiserzeit das Heer einen großen Stellenwert hatte. Aber ich darf dich an folgendes erinnern: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konnten wir den letzten Sieg bei irgendeiner militärischen Aktion landen. Wir haben gegen Preußen verloren, weil sie Repetiergewehre hatten – und das in einer Zeit, als Österreich-Ungarn einen großen Teil des Bruttosozialproduktes in die Rüstung gesteckt hat, also eigentlich auf dem neuesten Stand hätte sein müssen. Ich sage das nur deshalb, damit die 0,7 Prozent, die heute ausgegeben werden, nicht so negativ dastehen.

Meine Damen und Herren! Wenn man so klar sagt – die Freiheitlichen sagen das, genauso, glaube ich, auch Herr Kollege Liechtenstein –, daß wir in die NATO wollen, dann muß man auch die Konsequenzen bedenken. Allerdings habe ich heute neue Töne gehört, nämlich daß eine Volksabstimmung, eine Volksbefragung durchgeführt werden soll. Wir haben uns nie dagegen gesträubt, darüber zu diskutieren, nur: Beantragt hat das bisher noch niemand! (Bundesrat Dr. Tremmel: Ihr wollt nicht hinhören auf uns!) Über die Neutralität – auch das ist eine klare Aussage unseres Bundeskanzlers – lassen wir nur über den Weg der Bevölkerung mit uns reden. Das ist für uns kein Problem. Wir werden zum geeigneten Zeitpunkt dieses Instrument sicher in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren! Niemand von uns kann wirklich ernsthaft wollen, daß unsere Kinder in Kriegsgebiete geschickt, entsandt werden. Wir haben feststellen müssen, daß die ersten zwei Soldaten gestorben sind, wenn auch beim Üben, also noch nicht in Feindesland. Es macht aber keinen Unterschied, ob mein Sohn oder der Sohn von jemand anderem beim Üben zehn Kilometer vor Feindesland abstürzt und umkommt oder bei Kampfhandlungen. Wir haben Verantwortung zu tragen, und wir haben in erster Linie dafür zu sorgen, daß es nicht zu solchen Dingen kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, die Solidarität Österreichs geht so weit, wie wir im Fall Shkodra sehen, wo das Spital aufgebaut wurde, daß wir nicht daran denken, nicht dorthin zu gehen, weil vielleicht irgend jemand in Gefangenschaft geraten könnte. Da geht die Hilfe für andere allem anderen vor, und Österreich ist an vorderster Front dabei, ohne die Neutralität aufgeben zu müssen.

Meine Damen und Herren! Dem, was Österreich unter dem UNO-Mandat in Zypern, in Bosnien, auf den Golanhöhen gezeigt hat (Bundesrat Dr. Tremmel: Das war ein UNO-Mandat!), der Leistung seiner Soldaten gebührt wirklich Anerkennung, und das würdigt Österreich, auch das neutrale Österreich.

Ich glaube, es ist nicht nur patriotisch, zu glauben, daß Österreich als neutrales Land wesentlich mehr zur Friedensstiftung beitragen kann als als Mitglied der NATO oder eines anderen Verteidigungsbündnisses.

Ich erinnere an folgendes: Einen Monat, bevor die Kampfhandlungen im Kosovo und in Jugoslawien begonnen haben, hat es Volksfeste gegeben; Volksfeste in Tschechien, in Ungarn und auch in Polen, weil sie die NATO endlich aufgenommen hat. Die Realität war eine andere. Nach einem Monat wurden schon die ersten Konflikte klar, und heute ist die Volksmeinung dort eine


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