Bundesrat Stenographisches Protokoll 655. Sitzung / Seite 72

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nur die halbe Wahrheit, denn die Pensionen werden erst später schlagend, und dann steigen die Kosten exponentiell an. Dann werden es zig Millionen und Hunderte Millionen mehr werden.

Jetzt frage ich Sie alle ernstlich: Haben wir soviel Geld, uns diesen Luxus leisten zu können? Haben wir in unserem Land genügend soziale Sicherheit für unsere eigene Bevölkerung, daß wir soviel Geld nach Polen zahlen können? – Ich glaube, wir sollten zuerst einmal in unserem eigenen Land ansetzen und unseren bedürftigen Menschen helfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe vielmehr den Verdacht, daß dies eine Vorbereitungshandlung für einen baldigen Beitritt Polens zur Europäischen Union ist. Aber dann gnade uns Gott! Können Sie sich vorstellen, was es angesichts unserer Arbeitslosigkeit, angesichts der Tatsache, daß das Durchschnittseinkommen mit heutigem Tag in Polen 1 220 Zloty beträgt – das sind 4 640 S –, angesichts der Tatsache, daß die Mindestpension in Polen 1 500 S monatlich beträgt – Romano Prodi, der designierte Präsident der EU, hat es in seiner ersten Rede bereits angekündigt, er möchte es noch in seiner Periode durchbringen, daß die ersten mitgliedswerbenden Staaten auch tatsächlich Mitglieder werden –, bedeutet, wenn Polen innerhalb kurzer Zeit EU-Mitglied wird, können Sie sich vorstellen, welchen Druck das auf unseren Arbeitsmarkt bedeutet?

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden daher dem Antrag, keinen Einspruch zu diesem Abkommen zu erheben, sicherlich nicht Folge leisten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.19

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile ihr dieses.

14.19

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zu Beginn meiner Rede möchte ich zur Wortmeldung der Bundesratskollegin Trunk Stellung nehmen. Es hat mich sehr berührt, als sie gesagt hat, es ist eine Veränderung im Bewußtsein der Unternehmer, im Managerdenken notwendig.

Dazu möchte ich folgendes sagen: Es gibt schwarze Schafe bei den Arbeitnehmern und bei den Arbeitgebern. Schwarze Schafe gibt es überall, aber ich weise diesen Vorwurf auf das entschiedenste zurück. (Beifall bei der ÖVP.)

In Österreich gibt es zirka 92 Prozent Klein- und Mittelbetriebe. Es gibt sehr viele Betriebe, die mit den Arbeitnehmern zusammenarbeiten, bei denen es ein gegenseitiges Geben und Nehmen gibt. Das ist erforderlich, die Wirtschaft muß zusammenarbeiten. Es gibt viele Klein- und Kleinstbetriebe, die ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen behalten, auch wenn es ihnen sehr schlecht geht, in denen die Unternehmer im Endeffekt oft weniger verdienen und mit weniger auskommen müssen als die eigenen Angestellten. (Bundesrätin Haunschmid: Jawohl, sehr gut!) Daher weise ich Ihre Verallgemeinerung beziehungsweise überhaupt Ihren Redebeitrag auf das entschiedenste zurück! (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Ich würde Ihnen vorschlagen, einen Betrieb aus eigener Kraft mit eigenem Geld zu gründen und Mitarbeiter einzustellen, und dann möchte ich sehen, wie Sie Ihre persönliche Meinung ändern. – Das wollte ich vorab sagen.

Zum Bericht von Sozialministerin Hostasch zur europäischen Beschäftigungspolitik möchte ich auch noch zwei Dinge sagen. Ich persönlich bin der Meinung, daß die Schattenwirtschaft nicht durch das Schwarzarbeitsgesetz bekämpft werden kann, sondern nach meinen Erfahrungen nur durch die Schaffung von positiven Rahmenbedingungen für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ich betone: positive Rahmenbedingungen auch für die Arbeitnehmer, also für die gesamte Wirtschaft. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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