Bundesrat Stenographisches Protokoll 655. Sitzung / Seite 73

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Ergänzend möchte ich betonen, daß wir alle viel zu viele Steuern zahlen, und hier müßte unser erster Ansatz sein. Zwar wird die Steuerreform gewisse Steuererleichterungen bringen, aber es gehört nach meinem Dafürhalten der gesamte Staatshaushalt grundlegend und strukturell überdacht, und dann müssen dementsprechende Konsequenzen gezogen werden, sodaß die Rahmenbedingungen noch positiver werden, was letzten Endes allen nützt, der Bevölkerung und dem Staat. – Ich bin sehr froh, daß Sie, Herr Finanzminister, auch hier sind.

Zum von der Frau Sozialministerin angesprochenen lebensbegleitenden Lernen möchte ich folgendes sagen: Ich denke auch, daß das lebensbegleitende Lernen notwendig ist und in der Zukunft noch mehr intensiviert werden muß. Aber ich muß leider feststellen, daß Studenten und Arbeitnehmer diesbezüglich sehr viele Förderungen und Unterstützungen bekommen, aber Arbeitnehmer, die sich selbständig machen wollen, kaum Unterstützung oder Förderung erfahren.

Zum Beispiel müssen Arbeitnehmer, wenn sie die Meisterprüfung machen, aus eigener Tasche zwischen 10 000 und 100 000 S, je nach Gewerbe, bezahlen. Auch kleine Gewerbetreibende beziehungsweise selbständige Unternehmerinnen und Unternehmer müssen ihre eigene Weiterbildung selbst bezahlen. Hier fordere ich eine dementsprechende Änderung, denn auch für den selbständigen Bereich ist lebensbegleitendes Lernen notwendig; ich denke, daß die Frau Sozialministerin Hostasch auch dieser Meinung ist.

Ich ersuche Sie daher, hinsichtlich der Weiterbildung der Unternehmerinnen und Unternehmer initiativ zu werden, denn Sozialpolitik beinhaltet nach meiner Auffassung nicht nur die Arbeitnehmer-, sondern auch die Arbeitgeberseite.

Abschließend möchte ich nochmals erwähnen, daß mein Selbstverständnis von Sozialpolitik die gesamte Bevölkerung eines Staates umfaßt, also alle Menschen, die in unserem schönen Österreich wohnen, leben und arbeiten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor ich Herrn Bundesrat Präsident Gottfried Jaud das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, daß ich Würde und Anstand des Hauses nicht verletzt sehe, wenn sich die Herren angesichts der Temperaturen der Sakkos entledigen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP, SPÖ und der Freiheitlichen.)

Herr Präsident! Ich erteile Ihnen das Wort.

14.25

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Die Frau Bundesministerin hat bedauert, daß das Pfuschbekämpfungsgesetz hier im Hohen Haus noch nicht beschlossen wurde. Erlauben Sie mir, dazu zwei Beispiele aus der Praxis zu bringen, wie das Arbeitsinspektorat zum Zwecke der Pfuschbekämpfung kontrolliert.

Erstes Beispiel: Ein großes Hotel, neun Uhr abends, voller Betrieb, fünf Arbeitsinspektoren kommen, besetzen alle Ausgänge des Hotels mit Unterstützung der Gendarmerie. Die Arbeitsinspektoren dringen in das Hotel ein und sagen dem Geschäftsführer: Wir möchten Ihre ausländischen Arbeitskräfte dahin gehend kontrollieren, ob sie alle gemeldet sind. – Natürlich hat man während der Hauptbeschäftigungszeit dafür keine Zeit und weist das Arbeitsinspektorat aus dem Hause. Dafür wird der Besitzer natürlich sehr viel Strafe bezahlen.

Ein zweites Beispiel aus eigener Erfahrung: Ich habe in meinem Betrieb für eine Putzerin um Arbeitsgenehmigung angesucht. Diese Arbeitsgenehmigung wurde abgelehnt, zwei Tage später kommen zwei Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates zu mir in die Tischlerei. Klarerweise geht der Meister sofort hinaus und steckt den Spaltkeil in die Kreissäge, denn das ist notwendig, wenn der Arbeitsinspektor kommt. Die beiden geben mir dann zu verstehen, sie möchten nicht den Betrieb kontrollieren, sondern nur kontrollieren, ob alle meine Mitarbeiter entsprechend angemeldet sind.


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