Bundesrat Stenographisches Protokoll 655. Sitzung / Seite 91

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nicht getroffen worden ist, ob die Akademien letztendlich tatsächlich echten Hochschul- oder gar Universitätsstatus erlangen sollen.

Dagegen sprechen schon zwei Umstände, einerseits die Beibehaltung der Zweigleisigkeit der Lehrerausbildung an staatlichen wie auch an konfessionellen Akademien und andererseits die Zusammensetzung ihrer die personalpolitischen Entscheidungen prägenden Kuratorien rein nach dem Parteienproporz, was einer Hochschule absolut unwürdig ist. Bestenfalls eine gewisse Weichenstellung in die Richtung hin zur Hochschule ist somit vorgenommen worden. Allerdings ist dies eine Weichenstellung, die nach meiner Überzeugung ohnehin in die falsche Richtung führt.

Das deutet sich schon in der erwähnten Zielbestimmung im Akademien-Studiengesetz an. Sie ist – selbst wenn man, anders als ich, das Ziel bejaht – sachlich verfehlt, ja geradezu in sich widersprüchlich. Damit meine ich nicht so sehr die doppelte Intention, daß Akademien sowohl einer wissenschaftlich fundierten als auch einer praxisorientierten Ausbildung dienen sollen. Denn Theorie und Praxis sind kein absoluter Gegensatz, und sie sollten es auch nicht sein. Sie befruchten und inspirieren sich wechselseitig und müssen auch systematisch miteinander vermittelt werden.

Gerne verweise ich in diesem Sinn auf die heute leider schon vergessenen goldenen Worte des berühmten Philosophen Immanuel Kant, daß es allzu vordergründig wäre, davon zu reden, daß eine bestimmte Theorie für die Praxis nicht tauge. Wäre das nämlich so, dann müßte man mit Kant den Befund treffen, daß eine solche Theorie vielmehr nicht hinreichend theoretisch ist.

Weit mehr stört hingegen, daß von einer "Berufsausbildung" auf Hochschulniveau gesprochen wird. Das freilich ist ein innerer Bruch. Bewußt hatte das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz für das universitäre Bildungsziel den Begriff der "wissenschaftlichen Berufsvorbildung" gewählt. Ich betone sowohl "wissenschaftlich" als auch "Vorbildung". Mit guten Gründen haben wir Universitätslehrer darum gekämpft, daß dieser wohlerwogene Begriff auch im Universitäts-Studiengesetz beibehalten worden ist, war doch auch bereits der Begriff der "wissenschaftlichen Berufsaus bildung" in einen Entwurf zu diesem Gesetz eingeflossen. Ich lasse offen, ob das bloß begriffliche Unschärfe und Nachlässigkeit oder aber ein Versuch zwar schleichender, aber gezielter Aushöhlung des universitären Bildungszieles war.

Daß ein gewisses Mißtrauen in dieser Hinsicht durchaus angebracht war, zeigte sich spätestens im Sommer 1997, als der damals noch relativ neue Wissenschaftsminister Dr. Einem die Forderung erhob, das Studium der Rechtswissenschaften – historisch betrachtet eines der klassischen der frühen europäischen Universitäten –, wenn nicht sogar einzelne Zweige des Medizinstudiums auf Fachhochschulen zu verlagern.

Mit anderen Worten: Berufsausbildung, und zwar selbst auf höchstem Niveau, kann es meines Erachtens nur an Akademien oder Fachhochschulen herkömmlicher Art geben. Wissenschaftliche Berufsvorbildung hingegen muß Universitäten oder Hochschulen mit gleichem Rang vorbehalten bleiben.

Man verstehe mich nicht falsch! Mir geht es weder um professoralen Bildungsdünkel noch um die leidige, wenngleich für die Berufspraxis durchaus bedeutsame Frage, welcher Studienabschluß die A-, besser die A1-wertige Einstufung rechtfertigt. Vielmehr kommt es meines Erachtens auf das je angestrebte Bildungsziel einer echten Hochschule an.

Ist aber die politische Grundentscheidung nicht gefallen – zumindest keine ehrliche Entscheidung, also keine solche durch die Hintertür, keine der vollendeten Tatsachen oder gar der Salamitaktik –, ob sich die Akademien in der Endstufe wirklich zu echten Hochschulen wandeln sollen, dürfen auch keine Folgeregelungen beschlossen werden, die zuvor ebendieser bis heute nicht getroffenen Grundsatzentscheidung bedürften. Ich wünsche sie mir nicht in dieser Hinsicht, nicht in diese Richtung, das habe ich schon klar bekundet. Aber sie ist nun einmal bisher überhaupt noch nicht gefallen.


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