Bundesrat Stenographisches Protokoll 658. Sitzung / Seite 29

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Thema Bundesstaatsreform und über die Bedeutung des Bundesrates gesprochen. Es ist interessant, dass dieses Thema nicht nur auf Österreich beschränkt ist. (In Richtung Landeshauptmann Dr. Sausgruber:) Was die Bundesstaatsreform anlangt, spricht man in Ihrem Nachbarland, der Schweiz, schon seit Jahren darüber.

Auch in Deutschland steht immer wieder die Bundesstaatsreform zur Debatte; und so auch hier in Österreich. Es scheint also etwas zu sein, was die Menschen bewegt, nicht nur die Politiker, aber auch sie, sodass Politiker der verschiedensten Richtungen ehrlich – so hoffe ich zumindest – ihre subjektive Meinung zum Ausdruck bringen, auch wenn sie jeweils unterschiedlich sein mag.

Herr Landeshauptmann! Sie haben von der Finanzausstattung der Länder gesprochen und davon, dass diese vernünftig sein müsse. Sie haben eigentlich zweimal darauf hingewiesen. Ich habe ein bisschen Bedenken, wenn man es bei diesen Worten belässt. Ist es nicht so, dass die Finanzausstattung der Länder und der Gemeinden durch diese selbst herbeigeführt werden soll, indem man ihnen einen Teil des Steuerfindungsrechtes überträgt?

Ist es nicht so, Herr Landeshauptmann, dass eigentlich der Herr Finanzminister, wenn er den Ländern und den Gemeinden großzügig gegenübertritt, als das liebe Christkind bezeichnet wird – ohne jetzt diesen Begriff so zu verwenden, aber inhaltlich –, und dass er, wenn er das eine oder andere Mal – und wahrscheinlich immer öfter – die Zügel anziehen muss und sagt: Das können wir uns nicht leisten!, der Krampus ist?

Nein, die Popularität oder Unpopularität einer Entscheidung, die ein Land – und auch eine Gemeinde – fällt und die mit Finanzen zusammenhängt, soll – schauen Sie in Ihr Nachbarland Schweiz! – in diesem selbst getroffen werden. Ein Minister, ein Landesrat für Finanzen, ein Gemeinderat, der die Finanzen überhat, muss selbst für seine Entscheidung und die seiner Fraktion bei der nächstfolgenden Wahl oder einer Volksabstimmung gutstehen. Immer alles auf den Überstaat zu deklarieren, ist unmöglich.

So verurteile ich auch – aber nur verbal und in aller Kollegialität – Landesrat Hirschmann, der da sagt: mehr Engagement für die EU. Was heißt das? – Dass unter Umständen die Europäische Union diejenigen Aufgaben den Ländern gegenüber wahrnimmt, die derzeit ein österreichischer Finanzminister für die Länder wahrnimmt. Das könnte zumindest sein. So hat er es noch nicht gesagt, aber es geht schon ein bisschen in diese Richtung.

Landesrat Hirschmann tritt auch dafür ein, dass es weniger Bundesländer gibt – eine unselige Einrichtung, die wir schon in der Zeit des Zweiten Weltkriegs hier in Österreich hatten. So radikal ist man damals nicht vorgegangen; es wurde das Burgenland aufgeteilt und Vorarlberg zugeordnet. Jetzt fordert Landesrat Hirschmann eigentlich ein Österreich der drei Regionen. Was ist das anderes als ein Anschlag auf die gewachsenen historischen Bedingungen, die sentimentalen Gefühle der Bürger, die in diesen Ländern und Bundesländern leben?

So einfach, meine ich, sollte man es sich nicht machen. Mag sein, dass es ökonomischer ist. Aber was ist die Ökonomie? Ist sie Selbstzweck oder dient sie den Bürgern zum Sich-wohl-Fühlen in ihren gewachsenen Strukturen? Müssen wir zwanghaft verändern, was tausend Jahre Österreich aufgebaut hat? – Meine lieben Freunde, ich weiß, tausend Jahre Österreich, das ist ein unhistorischer Begriff, das trifft nur für einen Teil zu. Herr Kollege Weiss! Sie schauen mich schon ein bisschen kritisch an; ich verstehe es und korrigiere es auch. Aber doch, tausend Jahre dieser Gebietskörperschaften, die jetzt "Republik Österreich" heißen, mit allem Auf und Ab – das hat dazu geführt, dass wir sentimentale Bindungen haben.

Daher meine ich, dass die Fragestellung, die in den letzten Tagen ein Seminar in Wien hatte: "Ist Österreichs Föderalismus überzogen?", schlicht und einfach nur mit einem Nein beantwortet werden kann. Er ist nicht überzogen, weil der Föderalismus, den Österreich aufweist, eine historische, sentimental gegebene Bedeutung erlangt hat, die man nicht mit ökonomischen und anderen praktischen Erwägungen abtun kann. Es geht nicht darum, dass alles praktisch und ökonomisch beurteilt wird. Es geht darum, die Herzen der Bürger für ihre Anliegen zu gewinnen.


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