Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 8

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jene Rechtsinstrumente da, um ein Kandidieren und ein Zulassen zu den Wahlen zu verhindern, und das sind Offizialdelikte. Sie sind niemals angewandt worden.

Daher möchte ich als Bundeskanzler ganz eindeutig klarstellen, dass es da einen demokratischen Grundkonsens gibt, der sämtliche Parteien im National- und im Bundesrat mit einschließt.

Aber ich verschweige nicht – auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu –, dass es ein Problem der Worte, der Sprache und der Tonlage gibt, und es ist für uns alle wichtig, dass wir in Zukunft mehr Sensibilität in unseren Äußerungen walten lassen und Feingefühl gegenüber anderen zeigen. Jeder muss bei sich selbst beginnen. Ich möchte aber auch auf Grund der Wortmeldungen und mancher Schriften in den letzten Tagen diesen Appell in alle Richtungen verstärken, denn wir sind kein Regime, wie es manche plötzlich sagen. Wir auf dieser Regierungsbank sind eine demokratisch legitimierte Regierung, die sich auf eine breite Mehrheit stützt. Wir sind nicht vergleichbar mit Regimes anderer Länder. Ich brauche hier nicht auf Beispiele einzugehen, wir lehnen allein schon den Vergleich ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gefällt mir auch nicht, wie undifferenziert man mit Vokabeln wie "Faschismus" umgeht. Gerade angesichts der Gräuel, die Nationalsozialismus und Faschismus im vorigen Jahrhundert angerichtet haben, ist es eine unerträgliche Banalisierung dieses Horrors, wenn man diese Worte am Beginn des 21. Jahrhunderts auf einzelne Politiker oder politische Bewegungen anwendet. Auch dieser Punkt muss, so glaube ich, gemeinsam von allen Demokraten in diesem Haus zurückgewiesen werden.

Wir sagen in dieser Regierungserklärung Ja zum Vertreiben der Sorgen und Ängste, die es natürlich gibt. Mir ist sehr wohl bewusst, dass es Menschen gibt – ältere, jüngere, politisch interessierte oder weniger interessierte –, die sich in einer solchen Zeit, in der etwas Neues entsteht, Sorgen machen und Angst haben, und es wird unsere Aufgabe sein, gemeinsam, als Bundesregierung und sicherlich auch als Vertreter der Parlamentarier im National- und Bundesrat, Ängste zu nehmen und Sorgen zu mildern.

Ich verstehe sehr gut, dass sich, wenn beispielsweise gestern auf dem Naschmarkt Flugblätter in türkischer Sprache verteilt wurden, in denen es quasi heißt, dass in Österreich Türken in Hinkunft ausgewiesen werden, ausländische Staatsbürger oder auch inländische Staatsbürger, die nicht in Österreich geboren sind, angesichts solcher Propaganda Sorgen machen.

Ich sage Ihnen auch ganz offen, und ich sage es hier offiziell: Als Bundeskanzler und als Bundesregierung werden wir gemeinsam dafür sorgen, dass sich in diesem Land niemand fürchten muss, der sich legal hier aufhält und entsprechend aufführt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine meiner wichtigsten Aufgaben wird es eben sein, die Sorgen, Nöte und Ängste zu mindern. Ich bitte Sie alle als verantwortliche Politiker, die Emotionen, die natürlich in diesen Tagen besonders hoch fliegen – manchmal liegen auch die Nerven blank –, dass wir Ruhe ausstrahlen, dass wir Besonnenheit zeigen, dass wir mit Gelassenheit und auch Festigkeit auftreten, wie dies gerade in den ersten beiden Reden die neue Sozialministerin Dr. Sickl und die neue Außenministerin Benita Ferrero-Waldner in meiner Meinung nach hervorragender Weise getan haben. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) Das ist der richtige Weg, und diesen Weg wollen wir gemeinsam und konsequent weitergehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir sagen Ja zu Europa, Ja zur Mitgliedschaft Österreichs zur Europäischen Union. Immerhin hat sich eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung in einer Volksabstimmung – mehr als in jedem anderen Land Europas! – zu dieser Mitgliedschaft bekannt, und deswegen haben wir auch ein Recht darauf, einzufordern, dass unsere Rechte innerhalb dieser Europäischen Union nicht gemindert werden. Das ist unser Recht, das ist nichts, worum wir demütig bitten müssen, und die anderen Vierzehn haben es uns zu geben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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