Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 15

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Sie können sich in allen Tageszeitungen den Vergleich zwischen dem Konsolidierungsvorschlag Rudolf Edlingers und dem, den Sie jetzt in aller Hast geboren haben, anschauen. Es wird weniger eingespart, und es wird mehr auf die Menschen dieses Landes überwälzt, als unsere beiden Parteien SPÖ und ÖVP ausverhandelt hatten. Ich wünsche Ihnen dabei nicht sehr viel Erfolg, denn die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht darauf, vor diesem Griff in ihre Taschen beschützt zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe auch mit einigem Erstaunen – aber wir werden heute noch Gelegenheit haben, darüber zu sprechen – Ihre starken Worte über das, was die Europäische Gemeinschaft Österreich antut, gehört. Das ist ein bisschen eine Bunkermentalität, die mit Sicherheit diesem Land nicht gut tut. Es ist richtig, dieses Land ist nicht ein Nazi-Land, dieses Land ist nicht ein Land, in dem die große Mehrheit der Bevölkerung die demokratischen Werte über Bord zu werfen bereit ist. Das ist richtig! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Scheuch: Wieso stellen Sie es dann so dar?)

Aber es ist ebenso richtig, dass diese Regierung gut daran täte, auf jene Warnungen zu hören –Sie persönlich hätten gut daran getan, vorher auf jene Warnungen zu hören –, die quer durch das politische Spektrum des demokratischen Europa klar zum Ausdruck gekommen sind. (Bundesrat Wolfinger: Die SPÖ hat sich aber schon bemüht! – Ruf bei der ÖVP: Sozialistische Internationale! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Als jemand, der sich dieser Organisation mit großer Intensität verbunden fühlt, freue ich mich auf die bevorstehenden Beitrittsansuchen der Herren Aznar und Chirac zur Sozialistischen Internationale. Ich werde diese Bereicherung unserer Breite sehr begrüßen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie es in Europa tatsächlich aussieht, das haben Sie gestern demonstriert bekommen: Wenn es im Rat der Regionen, wo im Übrigen der Herr Haider Fahnenflucht begangen hat, weil er sich lieber über den Atlantik als nach Brüssel begeben hat, acht Mitglieder gibt, die gegen eine Verurteilung dieser Regierung stimmen, und sechs davon von der ÖVP stammen, dann zeigt das wohl die Breite der Meinung in Westeuropa, was von dieser Regierungsbildung zu halten ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie können sicher sein, dass dort, wo Initiativen gesetzt werden, die unserem Politik- und Demokratieverständnis entsprechen, diese Opposition nicht eine Opposition des Nein-Sagens sein wird. Jawohl, es gibt eine Reihe von Initiativen, über die bei den Verhandlungen zwischen der Sozialdemokratie und der ÖVP Einvernehmen erzielt wurde. Es ist richtig, dass wir in den Fällen, in denen es sich bei diesen Vereinbarungen nicht um einen gegenseitigen Kompromiss – auch das hat es gegeben – gehandelt hat, sondern um Vorschläge ging, die wir in ihrem vollen Inhalt und aus voller Überzeugung mit tragen konnten, jetzt nicht sagen werden, diese unsere Auffassung gilt nicht mehr.

Es ist richtig, dass im Bereich der Sozialpolitik neue Initiativen erforderlich sind, aber da beginnt schon wieder meine Verunsicherung: Ich habe mit großer Verblüffung gestern den Herrn Finanzminister gehört, der gemeint hat, die Treffsicherheit der Sozialleistungen sei eine geringe, und Leute wie er brauchten nun wirklich keine Kinderbeihilfe. Das sagt der Vertreter einer Regierung, die gerade das Karenzgeld für alle ohne jede Begrenzung einzuführen ankündigt!? Wo geht denn das zusammen? Also entweder Treffsicherheit oder Geschenke! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat uns jetzt gerade gesagt – ich erinnere bescheiden daran, wer diese Historiker-Kommission gemeinsam eingesetzt hat –, dass es eine Verpflichtung dieses Landes ist, jenen Menschen, die der Nationalsozialismus auf österreichischem Boden zu Zwangsarbeit gezwungen hat, spät, sehr spät, aber, soweit sie noch leben, nicht zu spät eine Entschädigung zu gewähren. (Bundesrat Ing. Scheuch: Warum haben Sie denn das nicht gemacht?)

Herr Kollege! Wir haben genau das auf die Schiene gesetzt. (Bundesrat Ing. Scheuch: Sehr spät! Sehr spät! Sehr spät!) Aber Sie waren es, die diese Frage mit einer völlig anders gearteten verknüpft haben und damit drohen, das erneut zu verzögern! Die Frage der Vertriebenen, die


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite