Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 18

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Was soll ich lesen? Ich lese so viel, aber ich nehme gerne noch etwas dazu. (Bundesrat Mag. Wilfing: Ist das die neue Sprache der SPÖ? "Geiselhaft"? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Nein, ich bestimme nicht, wer ein Demokrat ist.

Natürlich ist die Sprache der Opposition eine andere als die einer Regierungspartei, Herr Kollege. Aber die FPÖ ist die letzte Partei, von der ich mir sagen lasse, dass ich mich in meiner Sprache mäßigen soll. (Beifall bei der SPÖ.) Wer den Unrat in die politische Sprache dieses Landes eingeführt hat, darf sich nicht wundern, wenn andere sich ein wenig anpassen! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Dr. Nittmann: Herr Professor Unrat!)

Wie wohl Sie sich alle in dieser Nachbarschaft fühlen, will ich hier nicht diskutieren. Das ist etwas, was jeder von Ihnen mit sich selbst ausmachen muss; vielleicht auch durch Fernbleiben von der Sitzung. Aber ich schlage Ihnen vor, dass Sie nicht jetzt versuchen, sich in die Rolle des Biedermanns zu begeben, nachdem Sie den Brand gestiftet haben. (Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Nicht Sie, die Kollegen von der FPÖ! (Bundesrätin Haunschmid: Wer hat den Brand gestiftet?!)

Kollege Schüssel, Herr Bundeskanzler! ... (Neuerliche lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Unruhe im Saal.)  – Oh, das Nervenkostüm ist aber heute sehr dünn ausgefallen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Grissemann: Der Brandstifter ist gestern zurückgetreten! – Weitere Zwischenrufe bei allen drei Fraktionen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe überhaupt kein Problem mit Zwischenrufen. Es gibt nur das Problem, dass zu viele gleichzeitige Zwischenrufe es einem schwer machen, auf sie zu antworten. Ich entschuldige mich. (Bundesrat Prähauser: Bei manchem ist es besser, man hört es nicht!) Naja, vielleicht könnten wir sie schriftlich einreichen. (Heiterkeit.) Aber ich entschuldige mich wegen der Zwischenrufe der letzten paar Minuten. Ich habe keinen einzigen davon verstanden, aber vielleicht können wir das im Dialog gerne besprechen. (Ruf bei der ÖVP: Nicht gehört oder nicht verstanden?)  – Sie haben sich gegenseitig leider aufgehoben. Herr Kollege, dann müssen Sie sich die Rednerordnung bei Zwischenrufen ausmachen.

Meine Damen und Herren! Wir stehen tatsächlich an der Schwelle einer neuen politischen Auseinandersetzung. Die Regierung hat ihre Rolle, und sie wird sie im Rahmen der Möglichkeiten, die sich selber schafft, erfüllen; ich hoffe – und das meine ich ehrlich – so, dass dieses Land nicht den Schaden nimmt, der zu befürchten ist.

Die Opposition hat eine Rolle zu übernehmen, und sie wird diese ausfüllen: nicht in einer Art und Weise – ich sage es noch einmal –, in der sie alles, was diese Regierung tut, kritisiert, sondern in einer Art und Weise, in der sie ihrer staatspolitischen Verantwortung sehr wohl gerecht wird, aber mit der notwendigen Schärfe dort auftritt, wo sie zu warnen hat und wo sie versuchen muss, Gefahren abzuwehren. Wir wissen uns dabei einig mit vielen, vielen Menschen in diesem Land.

Ich komme nun auf das zurück, womit ich meine Ausführungen begonnen habe. Es ist eindrucksvoll und wird für die Zukunft unseres Landes mehr Bedeutung haben als diese Regierungsbildung, wie sich zivilgesellschaftliche Strukturen aufbauen und Demokratie und Politik in diesem Land eine neue Qualität geben.

Die Sozialdemokratie will es nicht und ist auch nicht in der Lage, diese Strukturen gewissermaßen einzufangen. Sie sind unabhängig von uns, was sie politisch nicht weniger wirksam macht, sie sind vielleicht oder manchmal Partner, aber dies ist eine neue Republik nicht durch die Regierungsbildung, sondern durch die Proteste dagegen: eine Republik, in der die Menschen bereit sind, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen!

Sehen Sie, und das ist es, was mir so entsetzlich weh tut: Die Tatsache, dass Menschen ihre Meinung artikulieren, wird von Seiten vieler – ich sage nicht aller – Abgeordneter und Politiker der Regierungsparteien in einer Art und Weise diffamiert und heruntergemacht, dass einem


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