Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 22

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rung in diesem Hohen Haus dazu missbraucht, sich zu ungeheuerlichen Unterstellungen hinreißen zu lassen. Er hat mich aufgefordert, hier am Rednerpult dazu Stellung zu nehmen.

Ich sehe nicht den geringsten Anlass dafür, meine persönliche demokratische Grundhaltung als Rechtslehrer und die über jeden Zweifel erhabene demokratische Grundhaltung der Freiheitlichen Partei Ihnen gegenüber erst ausweisen zu müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Wenn Sie glauben!) Die Zweifel aber, die Sie haben durchklingen lassen, dass meine Fraktion nicht klar und eindeutig die unfassbaren Untaten des Nationalsozialismus verurteilt hätte, diese Zweifel weisen wir auf das allerschärfste zurück! (Ruf bei der SPÖ: Wo ist das passiert?) Nicht minder fordere ich Sie auf, Epitheta wie "Brandstifter" ein für alle Mal zu unterlassen, eine Redeweise, die eine deutliche Rüge von Seiten der Vorsitzführung verdient hätte. (Bundesrat Konecny: Sagen Sie das dem Herrn Bundeskanzler!)

Lassen Sie mich aber zum Anlass dieser historischen Stunde zurückkommen. Mit vollem Recht hat der Herr Bundeskanzler die substanziellen Inhalte des von ihm präsentierten Regierungsübereinkommens als ein Erneuerungsprogramm für Österreich charakterisiert. In der Tat, Erneuerung im Sinne konstruktiver Reform hat das Land wahrlich nötig, sind doch angemessene Antworten auf die Herausforderungen unserer Umbruchzeit zu finden.

Ein nicht zu unterschätzendes positives Signal sehe ich bereits in der Form des neuen Regierens. Dabei meine ich die partnerschaftliche Vorbereitung der Entscheidungen und die Art ihrer medialen Offenlegung, kurz die neue Transparenz der Regierungspolitik. Aus der Fülle der reformorientierten Zielvorgaben dieses anspruchsvollen Regierungsprogramms greife ich an erster Stelle bewusst die erklärte Absicht heraus, die demokratische, die rechtsstaatliche und die bundesstaatliche Struktur unserer Republik weiter auszubauen.

So bedeutet es zweifellos eine bemerkenswerte Stärkung des Elements der direkten Demokratie, wenn in Zukunft eine Volksabstimmung verpflichtend durchzuführen wäre, sofern ein Volksbegehren von mehr als 15 Prozent der stimmberechtigten Bürger unterstützt wird. Der Weiterentwicklung unserer rechtsstaatlichen Ordnung wird es im besonderen Maße dienen, wenn endlich die im Zuge der bis heute vernachlässigten Bundesstaatsreform vorgesehenen Landesverwaltungsgerichte eingerichtet werden.

Nicht zuletzt soll die Stellung des Bundesrates verstärkt werden. Und das muss gerade uns, meine Damen und Herren, ein echtes Anliegen sein, zumindest all jenen Fraktionen dieses Hauses, die sich dem föderalistischen Prinzip unseres Gemeinwesens voll verpflichtet fühlen! Wir müssen in Zukunft unsere institutionelle Aufgabe als Länderkammer ernster als bisher nehmen. Mit dem Vizepräsidenten Weiss stimmen wir darin überein, dass die politische Rückbindung an das entsendende Land grundsätzlich der fraktionellen Bindung vorgehen muss.

Mit dieser staats-, demokratie- und verfassungspolitischen Hinweisen bin ich freilich bei einer zentralen Zielvorstellung der heutigen Regierungserklärung angelangt. Es muss zu einer grundlegenden Neubestimmung der Aufgaben kommen, die der Staat künftig zu erfüllen hat. All jene Funktionen, die privatwirtschaftlich ebenso gut oder meist besser gewährleistet sind, gilt es auszugliedern. Das ist für mich primär ein gesellschaftspolitisches Anliegen, das sich sozialphilosophisch sowohl vom Subsidiaritätsprinzip her, wie wir es aus der katholischen Soziallehre kennen, als auch aus dem liberalen Modell einer Bürgergesellschaft begründen lässt. Einer solchen zeitgemäßen Durchforstung der Staatsaufgaben hätte dann eine adäquate Verwaltungsreform zu folgen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, dass es uns dabei vorrangig um den prinzipiellen Gesichtspunkt einer uns sachgerecht erscheinenden Organisationsstruktur des Staates und der Verteilung seiner Aufgaben geht. Erst in zweiter Linie soll damit das allerdings höchst aktuelle und brisante Problem angesprochen werden, dass der überkommene Wohlfahrtsstaat und sein allzu undifferenziertes Sozialsystem an ihre finanziellen Leistungsgrenzen gestoßen sind.

Mit diesem Stichwort sind wir freilich mitten in die größte Malaise geraten, in der sich die neue Bundesregierung befindet, und das ist das enorme Budgetloch, das ihr der frühere Finanzmini


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