Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 30

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Herr Kollege Konecny! Wenn Sie sich einmal ehrlich mit dieser Sache auseinander setzen und den Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit betrachten, dann müssen wir alle an unsere eigene Adresse sagen, dass wir heute vor diesem Problem nicht stünden, wenn Österreich nach 1945 mit den Ansprüchen der Opfer anders umgegangen wäre. Das ist ein Versäumnis dieser Republik, das wir alle zur Kenntnis zu nehmen haben, das uns aber heute unserer Verantwortung nicht enthebt.

Der historischen Richtigkeit halber erlaube ich mir festzuhalten, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass es ein sozialdemokratischer Minister war, nämlich Oskar Helmer, der im Zusammenhang mit den Restitutionsansprüchen und mit der Einladung, jene, die vor den Nationalsozialisten aus diesem Land und aus ihrer Heimat flüchten mussten, zurückzuholen, damals gesagt hat: Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen. – Das ist ein Schandfleck in der Geschichte dieser Republik, den wir zur Kenntnis zu nehmen haben und an dessen Bereinigung wir alle gemeinsam mitzuarbeiten haben – aber nicht im Wege gegenseitiger Schuldzuweisungen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube auch nicht, dass es für die Zukunft Österreichs, dieser Bundesregierung und der Zusammenarbeit im Parlament sinnvoll ist, dass wir jetzt ein Schema von Gut und Böse errichten. Das ist es jedoch, was in den letzten zwei Wochen tatsächlich passiert ist. Diese Diskussion ist nicht dadurch entstanden, dass jetzt die FPÖ in dieser Regierung ist, sondern der Ursprung und die Wurzel dieser Diskussion liegen darin, dass die Sozialdemokratie jetzt nicht mehr in dieser Regierung vertreten ist, nachdem sie ihr 30 Jahre lang in führender Position angehört hat. Das ist der Ausgangspunkt der vielen Diskussionen, die wir heute haben.

Mir geht es einfach darum, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass wir eine bessere Moral nicht mit einer Politisierung der Moral verwechseln dürfen. Denn das ist es, was ich in den Diskussionen der letzten Wochen immer wieder festgestellt habe und was auch heute hier wieder der Fall gewesen ist. Es ist ganz einfach: Wenn man einen Bösen gefunden hat, vermeint man im Umkehrschluss, dass man selbst automatisch der Gute ist. So einfach ist das in der demokratischen Auseinandersetzung aber nicht.

Hier ergeht auch mein Appell zu mehr Wahrheit und Ehrlichkeit in der politischen Auseinandersetzung, und zwar nicht nur hier in diesem Lande, sondern auch auf Ebene der Europäischen Union, denn selbstverständlich kann es nicht so sein, dass in einer Gemeinschaft von 15 Mitgliedstaaten 14 eine Maßnahme gegen ein anderes Mitgliedsland setzen, ohne die Mindestprinzipien der Rechtsstaatlichkeit, die für jedes der Mitgliedsländer selbstverständlich sind, zu beachten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn es uns gemeinsam darum geht, Sorgen abzubauen, die man selbstverständlich ernst nehmen muss – dazu bekennen wir uns auch –, dann müssen wir uns bewusst werden, dass es eine gemeinsame Verantwortung von Opposition und Regierung für dieses Land und die Zukunft dieses Landes gibt. Diese Regierung wird alles dazu beitragen, diese Sorgen abzubauen, indem sie gute Arbeit für dieses Land leistet. Das ist die Chance, die uns die Wähler am 3. Oktober eröffnet haben; das ist die Chance auf einen Wandel in Richtung einer demokratischen Normalisierung in diesem Land, die darin besteht, dass es immer wieder wechselnde Mehrheiten geben wird und soll und dass nicht eine einzige Partei – wie auch immer sie heißen mag – auf Dauer pragmatisiert in einer Regierung vertreten sein kann.

Diese Chance, die uns der Wähler am 3. Oktober gegeben hat, versuchen wir nach bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen, und dafür bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile ihm das Wort.

13.09

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Frau Vizekanzlerin! Ich kann Sie


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite