Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 84

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Ich weiß schon: Die offizielle Lehrmeinung dieser Regierung ist – ich habe das schon in meiner ersten Rede heute gesagt –: Jetzt lassen wir das Ausland ein wenig herumschreien. Das dauert ein paar Wochen, und dann wird wieder Ruhe sein. Ich halte das – falls jene, die diese Meinung zum Ausdruck bringen, das tatsächlich glauben – für eine Selbsttäuschung. Aber ich fürchte auch in diesem Fall: Der Respekt vor der Intelligenz der Mitglieder der Bundesregierung verführt mich dazu, anzunehmen, dass sie das gar nicht wirklich glauben, sondern dass sie nur ihren beunruhigten Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Österreich das weismachen wollen. Denn es ist ganz klar: Mit dem Beschluss der EU-14 – so paradox das ist – haben sich die 14 Mitgliedstaaten der EU erstmals zu einer politisch inhaltlichen Stellungnahme entschlossen. Es hat eine Reihe von führenden Politikern aus diesem Kreis klar gesagt: Ja, es hat frühere Fälle gegeben – etwa die Berlusconi-Fini-Regierung in Italien –, da war die EU in ihrer Entwicklung noch nicht so weit. Das hat nichts mit der Größe Italiens zu tun, sondern das hat damit zu tun, dass die Integration Europas inzwischen erfreulicherweise fortgeschritten ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Herr Kollege! Diese Diskussion hatten wir heute schon einmal, hatten wir das letzte Mal, und bestimmte Argumente werden durch pausenlose Wiederholung nicht intelligenter. Präsident Chirac hat nach allgemeinem Zeugnis – ich war dort nicht dabei – zu den ganz entscheidenden "Heavy-Weights" gehört, die in dieser Frage mitgesprochen haben. Es ist mir bis jetzt unbekannt, dass Chirac, Aznar, der belgische Regierungschef, der holländische Regierungschef seit der letzten Sitzung der Internationale, an der ich teilgenommen habe, Beitrittsansuchen gestellt haben. Nein! Es handelt sich um eine Reaktion des demokratischen Westeuropa. Ob uns dies gefällt oder nicht: Die hausbackene Ausrede, dass das die Perfidie der Sozialistischen Internationale ist, mag wieder einmal Sie selbst beruhigen, meine Damen und Herren, mit der Realität hat es allerdings nichts, aber auch schon gar nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie versuchen in dieser Debatte und auch vis-à-vis dem neuen Vorsitzenden der österreichischen Sozialdemokratie so zu tun, als ob die Sozialistische Internationale eine Organisation ist, die es darauf abgestellt hat, Österreich und anderen Ländern zu schaden – eine Art Weltverschwörung. Nein! Das ist ein demokratischer Bund von selbständigen Parteien, in dem wir uns selbstverständlich darum bemühen, politischen Konsens zu erreichen, und bei dem wir uns ganz konkret und augenblicklich ... (Bundesrat Dr. Nittmann: Wie im Fall Waldheim! Wiederholungstäter! – Ruf bei der ÖVP: Argentinien!)  – Ja, selbstverständlich, und wir freuen uns darüber, dass mein Parteifreund Fernando de la Rúa der Präsident Argentiniens geworden ist. Wir freuen uns darüber, dass mein Parteifreund Lagos Präsident von Chile geworden ist, und ich bin stolz darauf, dass Sozialdemokraten überall auf der Welt stärker werden. Ich hoffe, dass die österreichische Sozialdemokratie da auch wieder Schritt fassen kann! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind die Einzigen – das ist es, worum es geht –, die sich bemühen und wirkungsvoll bemühen, Nachteile für unser Land und jene Furcht erregenden politischen Fehler, die diese Bundesregierung und ihr Nahestehende – um das einmal so zu umschreiben – gemacht haben, in ihrer Wirkung einigermaßen gering zu halten. Sie merken es Tag um Tag, in welch verzweifelte außenpolitische Situation diese Bundesregierung Österreich gebracht hat.

Betreffend unsere berechtigten und auch unbestrittenen Anmerkungen zur Osterweiterung haben wir Bedingungen zu stellen. Was ist die Realität der letzten Ratssitzung? – Die Außenministerin kann die berechtigten Einwände in dieser politischen Situation überhaupt nicht mehr in die Debatte einbringen, weil sich diese Regierung mit ihren Äußerungen und mit den Äußerungen eines Parteiobmanns, der diese Regierung trägt, so ins Eck manövriert hat, dass man nur mehr Wohlverhalten mimen kann. Da gibt es die wichtige Frage der Diskussion mit der tschechischen Republik. Da muss die Frau Außenministerin natürlich in einem Telefongespräch mit Jan Kaván all das, was gesagt wurde, zurücknehmen, damit wir überhaupt noch eine Gesprächsbasis haben. Hier gräbt sich Österreich bei seinen eminentesten Interessen das Wasser ab. Das ist es, was wir für schädlich und gefährlich halten. (Beifall bei der SPÖ.)

Glauben Sie mir: Kollege Präsident Fischer, Kollege Gusenbauer und ich selbst in meiner Funktion bemühen uns, dass im internationalen Leben sehr klar zwischen den Interessen dieses Landes und dieser Regierung unterschieden wird.


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