Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 85

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Es kann nicht so sein, dass dieses Land – das Wort "Geiselhaft" ist mir übel genommen worden, was mir sonst noch durch den Kopf geht, wäre allerdings noch ein bisschen ärger (Heiterkeit bei der SPÖ); bleiben wir daher bei der Geiselhaft – in Geiselhaft ... (Bundesrat Schöls: Das zeigt Ihre Einstellung!)  – Nein, aber Sie ... (Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs. )  – Gut, dann öffne ich das.

Hier laufen wir Gefahr, dass die Interessen dieses Landes auf dem Altar der Machterhaltung dieser Regierung geopfert werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Von wem?)  – Von dieser Regierung! Wir sind jene, die darum kämpfen, dass Österreich im Konzert der Völker noch jenen Stellenwert einnimmt, der ihm zukommt. (Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Nittmann und Mag. Himmer. )

Sie werden wenig Gelegenheit haben, die Entscheidungsträger über Ihre Standpunkte zu informieren. Die Europäische Demokratische Union, die im Prinzip Sie als eine Mitgliedsorganisation dieser Internationale vertritt, musste gerade einen Besuch bei Präsident Chirac absagen, weil Chirac gesagt hat: Nein, ÖVPler kommen mir keine mit. Mit denen will ich nichts zu tun haben. (Bundesrat Schöls: Da sehen Sie die Solidarität der Europäischen Volkspartei! Da können Sie ...!)  – Chirac ist in der Volkspartei! Das Wort "Solidarität" habe ich eigentlich immer anders verstanden.

Da gibt es also – ich habe heute schon darüber gesprochen – eine Abstimmung im Rat der Regionen, der ungefähr zur Hälfte von der Europäischen Volkspartei mitbestimmt ist, was den Stärkeverhältnissen in Europa entspricht, und da gibt es 13 Stimmenthaltungen und acht Gegenstimmen, und sechs dieser Gegenstimmen kommen von Mitgliedern der ÖVP! Eine "gewaltige" Welle der Solidarität ist da dahergeschwappt! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie täuschen sich selbst, und Sie täuschen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Eine Offensive gegenüber dem Ausland – was eine schreckliche und unpräzise Formulierung ist –, gegenüber den Menschen und den Regierungen unserer europäischen Partnerländer und darüber hinaus ist notwendig. Aber sie kann nicht darin bestehen, dass gegenüber dem Ausland eine andere Wahrheit angesprochen wird als jene, die im Inland gilt. Ich will jetzt gar nicht von den absolut beispiellosen Beschimpfungen des französischen Präsidenten und der belgischen Regierung durch den Kärntner Landeshauptmann sprechen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Zitieren Sie diese doch!)  – Herr Kollege! Sie sind allgemein bekannt. (Bundesrat Dr. Nittmann: Nein! Nein! Zitieren Sie sie! Sie können es nicht!)  – Gut, fragen Sie ihn selbst! Vielleicht hat er für Sie eine freundlichere Version parat.

Herr Kollege! Wir brauchen nur in die aktuelle Diskussion einzusteigen, um festzustellen, in welch fürchterlicher Art und Weise hier vorgegangen wird. Da sagt doch tatsächlich der Bundeskanzler dieser Regierung gestern in einem BBC-Interview – ich zitiere das –: "The Social Democrats tried to form a government with the Freedom Party. They failed. By the way did you hear any international protest? The third alternative was a coalition between the Christian Democrats and the Freedom Party."

Das ist, wie Sie wissen, eine glatte Unwahrheit! Zu unterstellen, dass die ÖVP-SPÖ-Verhandlungen gescheitert sind, dann hätte die SPÖ versucht, eine Koalition mit den Freiheitlichen zu schließen, und weil das schief gegangen ist, habe sich eben die ÖVP opfern müssen, ist eine Unwahrheit beispiellosen Ausmaßes! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Und jeder, der glaubt, gegenüber einem uninformierten Ausland mit Unwahrheiten durchzukommen, täuscht sich! (Empörter Widerspruch bei der ÖVP. – Präsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Wir haben (Bundesrat Schöls: Keine Mehrheit bekommen!), Herr Kollege, uns in dieser Phase redlich bemüht, als die tatsächlich dritte Möglichkeit bestand, nämlich eine Minderheitsregierung zu bilden, mit allen zu sprechen. Wir haben mit der ÖVP gesprochen, wir haben mit der FPÖ gesprochen, und wir haben mit den Grünen gesprochen. Selbstverständlich! Wie soll eine Minderheitsregierung zu Mehrheiten kommen, wenn die anderen Fraktionen des Parlaments


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