Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 97

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Die können nicht bei Trost sein! Die würden mich an einen Hausherrn erinnern, der voll Mühe ein Haus errichtet hat und dann eine entzündete Fliegerbombe ins Wohnzimmer legt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich trete immer diesem Irrglauben entgegen, dass die Europäische Union nur so ein Vorgang des Zusammenwachsens wäre, gewissermaßen eine Art biologischer Prozess, in dem wir eben immer näher zusammenwachsen. In Wahrheit ist jede Union unter Schmerzen geboren worden. Erinnern wir uns daran, dass die größte Union, die Vereinigten Staaten, durch einen mörderischen Bürgerkrieg vor weniger als hundert Jahren fast noch zerrissen wurde, und auch die Europäische Union mit den abendländischen Staaten mit einer langen Tradition und einer reichen Gliederung ist von diesem Zerreißproblem durchaus gefährdet. Es ist daher in hohem Maße töricht, in diesem Haus, das auf dem genialen Gedankenwerk Robert Schumans beruht, sozusagen zu zündeln oder den Eindruck zu erwecken, als würden die Mächtigen die anderen ins Schlepptau nehmen und Druck ausüben können.

Es ist vielleicht immer so: Um einen Sachverhalt beurteilen zu können, muss man sich nur vorstellen, wie wir an diese Europäische Union herangegangen sind. Ich und viele meiner Freunde aus der Österreichischen Volkspartei sind zu Scharen hinausgeströmt und haben versucht, Menschen zu überzeugen, dass es richtig und notwendig ist, das gemeinsame Haus Europa zu bauen, und wir haben immer wieder hoch und heilig ... (Bundesrat Konecny: Nicht alle!) – Ich schon, Herr Professor! (Bundesrat Konecny: Du schon, aber nicht der Koalitionspartner!) Viele Sozialdemokraten sind auch hinausgegangen und haben versucht, ihre Mitbürger zu überzeugen. Wenn Sie es dementieren, so nehme ich es zur Kenntnis. (Bundesrat Konecny: Du schon, das habe ich ja gesagt!) – Also schon.

Es wurde das Argument gebracht: Dann sind wir nicht mehr Herren im eigenen Haus! Die reden uns überall drein, die mischen sich überall drein! Hier wird sich eine große Bürokratie unseres kleinen Österreichs annehmen, sodass wir zuletzt jede Souveränität und jede Spur der Souveränität verlieren! Wir jedoch haben hoch und heilig versichert, dass im Amsterdamer Vertrag das Subsidiaritätsprinzip verankert ist, das heißt, dass sich die Gemeinschaft nur dort einmischt, wo es notwendig ist, um eben ein gemeinsames Europa in einer großen Welt, die immer mehr zusammenwächst, als einen wirtschaftlichen und politischen Faktor entstehen zu lassen. Und dass es da des großen Respekts voreinander, vor den Nationen bedarf, dass es des Respekts, des Abstandes und des Verständnisses füreinander bedarf, das liegt wohl auf der Hand und wurde nie ernstlich bestritten.

Wenn in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Journalist gemeint hat – nur ganz kurz –, es war eine große Dummheit, es zu machen, so kann ich mich dieser Aussage nur vollinhaltlich anschließen. Dass wir uns trotzdem mühen müssen, Verständnis zu erwecken, das liegt auf der Hand. – Aber worum geht es? Warum wollen uns die 14 boykottieren? Oder: Warum tun sie so, als wollten sie uns boykottieren? – Weil wir sozusagen eine faschistische Regierung haben.

Meine lieben Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Professor Konecny! Geben Sie mir in meiner Pension doch einmal ein Privatissimum, und erklären Sie mir, was Sie unter Faschismus verstehen oder worin der Faschismus der österreichischen Regierung besteht. Auch auf Ihren Transparenten bei Umzügen wird immer wieder von Faschismus gesprochen, oder es wird auch so in den Raum gestellt, es könnten hier alte Sympathien für den Nationalsozialismus bestehen. Dann sagen Sie es doch offen: Wo sind die Faschisten? Wo ist das gefährlich Schwarz-Blaue? – Ich möchte endlich sehen, welch gefährlicher Bürgerblock hier entsteht, das soll mir nun endlich jemand erklären. (Bundesrat Konecny: Zur Hälfte haben Sie es schon gehört! Die andere Hälfte kommt noch!)

Oder geht es nur einfach darum, dass man es nicht hinnehmen will, dass man einmal nicht in der Regierung ist? – Das mag schmerzhaft sein, das freut keine politische Partei, das liegt im Wesen einer demokratischen Partei, aber vielleicht sind Sie auch nur schlechte Verlierer. Das könnte so sein – im schlimmsten Fall. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine lieben Damen und Herren! Sie alle sind in der jüngsten Geschichte gut bewandert und wissen sehr wohl, was im Jahr 1970 geschehen ist, als Bruno Kreisky, respektvoll, liebevoll und


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