Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 98

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auch kritisch als "Sonnenkönig" bezeichnet, damals seine Minderheitsregierung eingerichtet hat. Da mussten wir zur Kenntnis nehmen – das wird auch Ihnen sicher in Erinnerung sein –, dass sein Partner ein gewisser Friedrich Peter, der damalige Obmann der Freiheitlichen, gewesen ist, der einen hohen Rang als SS-Sturmbannführer innegehabt hat – das darf respektvoll, was die Person anlangt, in Erinnerung gebracht werden –, und Sie meinten damals, eine solche Mithilfe wäre eben politisch angezeigt.

Ich weiß nicht, dass damals die Roten Falken oder die Sozialistische Jugend mit Trillerpfeifen und Kochtöpfen aufmarschiert wären, um gegen diesen Verrat des Herzens zu revoltieren und den Geist der Sozialdemokratie zu beschwören. Es war damals offensichtlich recht. Sie nahmen so etwas in Kauf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Scheinbar ist überhaupt vergessen, dass es bekanntlich einmal eine rot-blaue Regierung gegeben hat, von 1983 bis 1986. Auch das mussten wir zur Kenntnis nehmen, wie unsere Generation schon lange einen roten Bundeskanzler ertragen muss. Es war für uns nämlich keine feine Sache, als damals im Jahr 1970/71 das neue Strafgesetz entstanden ist, dass man mit einer hauchdünnen Mehrheit unter anderem die so genannte Fristenlösung durchgezogen hat. Das war zum Beispiel für mich als Katholiken so etwas wie ein moralischer Faustschlag ins Gesicht, und wir mussten damit leben. Vielleicht, so könnte man sagen, müssen auch Sie einmal einen Bundeskanzler Schüssel ertragen, müssen Sie eine Regierung, in der Sie nicht entscheidend mitwirken können – aber als Opposition mitwirken können –, hinnehmen. Das ist so etwas, was man in der Politik und im privaten Leben immer wieder sucht: Fairness.

Ich würde überhaupt sagen, man muss in der Politik wieder den Geist der Fairness etwas beschwören. Wir haben andere Regierungen akzeptiert, wir sind nicht auf die Straße gegangen, und jetzt erwarten wir, dass Sie der jetzigen Regierung wenigstens einen winzigen Spielraum geben, sich zu bewähren. Eine Chance! Ich bin nicht so überzeugt davon, dass das, was sich hier tut – Demonstrationen auf der Straße, mit Trillerpfeifen, mit Kochtöpfen, Kochlöffeln und Schneebesen bestückt; Sie sehen, dass ich auch im Haushalt fit bin, aber ich gehe damit nicht auf die Straße –, unbedingt das Zeichen des neuen Österreich, der Intelligenz ist, die wir herannahen sehen. Ich hätte mir eher vorgestellt, da kommen Menschen mit einem Laptop, mit Papier und Bleistift, mit einem Rucksack voller Bücher, vielleicht mit dem "Kapital" von Karl Marx, um die neue Intelligenz, die neuen Intellektuellen zu präsentieren. Aber mit Trillerpfeifen werden wir nicht weiterkommen.

Ich bin jetzt seit mehr als 25 Jahren Mitglied der Gewerkschaft und muss schon sagen, dass es mich mit einem gewissen Grimm erfüllt, wenn eine Gewerkschaft, an die man monatlich 160 S zahlt, ohne jemals auch nur die geringste Gegenleistung erhalten zu haben, auf Grund der Tatsache, dass es eine neue Regierung gibt, erklärt, mit der Bundesregierung nicht einmal reden zu wollen. Ein Arbeitspapier allein genügt schon, dass keine Gespräche geführt werden. Ist das fair? Ist das eines unabhängigen Gewerkschaftsbundes würdig? – Diese Frage stelle ich von Mensch zu Mensch. Und wenn Sie mir nachher noch ins Auge schauen können, dann muss ich sagen, haben Sie zumindest eine große seelische Stärke. Das möchte ich in dem Fall sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich hoffe, dass es nicht so kommt. (Bundesrat Konecny: Aber Sie sind schon bei der christlichen Gewerkschaftsfraktion!)  – Da bin ich, selbstverständlich. (Bundesrat Konecny: Das wollte ich nur klarstellen!) Dass ich bei der christlichen Gewerkschaft bin, ist wohl selbstverständlich, ebenso, dass ich auch immer für einen unabhängig agierenden Gewerkschaftsbund gewesen bin. Ich bin bei keiner Richtungsgewerkschaft, Herr Professor Konecny! Ich bin beim unabhängigen ÖGB, der meine Interessen als Arbeitnehmer vertritt. Das und sonst nichts! Ich verlange, dass dieser unabhängige ÖGB mit jeder Regierung Gespräche führt, um das Bestmögliche herauszuholen. Nicht mehr und nicht weniger erwarte ich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin ein Gegner des Nachsagens von Phrasen. Wir Österreicher sind ein hilfsbereites Volk. Das hat sich gezeigt. Wir sind ein spendenfreudiges Volk. Bei uns werden Menschen auf der Straße, in den öffentlichen Verkehrsmitteln kaum einmal angepöbelt, weil sie Ausländer sind,


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