Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 108

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Die neue Regierung setzt ihre Prioritäten allerdings anders. Sie setzt sie in die Rekonstruktion des Bildes der Frau als Hausfrau und Mutter. Sie negiert den Wunsch der Mehrheit der Frauen nach Eigenständigkeit aufgrund einer beruflichen Tätigkeit, ohne deshalb auf Kinder verzichten zu müssen. Daher lautet unsere sozialdemokratische Forderung: statt Karenzgeld für alle, Kinderbetreuungseinrichtungen für alle. (Beifall bei der SPÖ.)

8 Milliarden Schilling werden willkürlich, ohne soziale Differenzierung und ohne Einkommensgrenzen verteilt. Es wird sogar noch die Möglichkeit des Dazuverdienens eröffnet. Daher denke ich: Es ist ganz praktisch, der Vater beansprucht das dritte Karenzjahr, geht aber arbeiten, und die Mutter betreut währenddessen das Kind. Das geht allerdings nur in bestimmten Fällen so, nämlich bei Selbstständigen, bei Bauern, bei Unternehmern. Für eine arbeitende Frau ist es schon sehr schwer. (Bundesrat Dr. Böhm: Es arbeiten auch die Männer!) – Natürlich arbeiten alle. Entschuldigung! Zur Klarstellung: Eine berufstätige Frau, die außerhalb ihrer Wohnumgebung arbeiten muss, hat diese Möglichkeit nicht, daher ist das eine Ungleichbehandlung.

Meine Damen und Herren! Würde dieses Geld für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen verwendet werden, so könnte die bestehende Bedarfslücke geschlossen werden. Wien sollte in diesem Bereich wirklich allen Bundesländern Vorbild sein – sowohl in Qualität als auch in Quantität. Wir alle wissen, dass Kinderbetreuungseinrichtungen Bildungseinrichtungen sind, die eine gesunde Entwicklung unserer Kinder wesentlich unterstützen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen und vor allem für Alleinerzieherinnen absolut notwendig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Wort "Alleinerzieherinnen" scheint übrigens in diesem blau-schwarzen Regierungsprogramm nicht auf – wahrscheinlich deshalb, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Österreich gehört jetzt schon zu den Staaten mit den höchsten familienbezogenen Geldleistungen. Nicht berufstätige Frauen "gewinnen" viel Geld mit dem Karenzgeld für alle. Berufstätige Frauen verlieren viel, obwohl diese Leistungen aus ihren Beiträgen finanziert werden. Das ist eine schwere soziale Ungerechtigkeit.

Wir haben heute wiederholt vom Herrn Bundeskanzler gehört: Beim Sparen beginnen wir bei uns und nicht beim kleinen Mann. Von der kleinen Frau haben Sie kein Wort gesagt, denn diese treffen Sie voll. (Beifall bei der SPÖ.)

19.13

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Ledolter. Ich erteile ihm dieses.

19.14

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vizepräsident! Meine verehrten Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir konnten heute eine von Bundeskanzler Schüssel vorgetragene, sehr engagierte, zukunftsweisende, dynamische und hoffnungsfrohe Regierungserklärung hören. Meine Damen und Herren! Diese Regierungserklärung ist dazu angetan, den Menschen in diesem Land wieder Mut zu machen, aufzuzeigen, dass es Lösungen fernab von sozialistischen Denkschemata und Ansätzen gibt, die wir bisher gewöhnt waren. Diese Lösungsvorschläge hat die Volkspartei mühsam aus dem linken Eck wieder ein bisschen zur Mitte zu zerren versucht, um sie für die Menschen in diesem Land erträglicher zu machen.

Diese Regierungserklärung dieses engagierten Bundeskanzlers und seines Teams, meine Damen und Herren, ist Ausfluss des Wahlergebnisses vom 3. Oktober letzten Jahres. Es ist dies ein Ergebnis, das offensichtlich von einigen in diesem Lande ignoriert beziehungsweise krass missverstanden wird; es ist dies ein Ergebnis, das auf demokratische Art und Weise zu Stande kam und das zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Partei, die immer noch die größte in diesem Lande ist und sein möchte, radikal verloren hat, und zwar am meisten von allen wahlwerbenden Gruppen. Dieses Ergebnis war aber letztendlich auch ein klarer Auftrag für die Verantwortungsträger dieses Landes, einen anderen Stil in diesem Land, im Parlament einzuführen und vor allem auch nach Mehrheiten zu suchen.


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