Bundesrat Stenographisches Protokoll 662. Sitzung / Seite 37

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Ich denke in dieser Stunde auch an zwei liebe Kollegen, die schon in die Ewigkeit abberufen wurden: den oberösterreichischen Bauernbunddirektor Erwin Köstler, eine hervorragende Persönlichkeit, und den Salzburger Freund Dr. Helmut Frauscher.

Man weiß, dass man, wenn man Persönlichkeiten nennt, eigentlich alle nennen müsste, und so bitte ich zu verstehen, dass ich hier nur einige markante Persönlichkeiten namentlich erwähnt habe. Ich danke aber allen – und da können sich hier viele angesprochen fühlen –, die diesem Hohen Haus – das ist es für mich und bleibt es für mich – die Würde gewahrt haben, die Würde einer Volksvertretung. Ich danke all jenen, die in diesen Jahren die Argumentation vor die Agitation gestellt haben, wenngleich die Agitation sehr wohl auch dazugehört.

Ich danke all jenen, denen der Föderalismus ein Herzensanliegen war, denn der Föderalismus ist als eine Sicht, als eine Weltanschauung, als die Liebe zum Kleinen und zum Gewachsenen zu verstehen. Die Ehrfurcht vor dem Kleinen, in dem sich die Größe offenbart, ist eigentlich die Grundeinstellung des Föderalismus. Es geht nicht nur darum, ob wir so manche Novelle erreicht haben, die die Kompetenzen des Bundesrates oder der Länder in Gesetzgebung und in Vollziehung ausgedehnt hat, sondern es geht darum, ob der Geist des Föderalismus wach ist, denn wir wissen genau: Wenn wir diesen Geist im neuen Europa, das sozusagen als Baustelle existiert, nicht verwirklichen, wird dieses Europa nicht werden oder letztlich nicht Bestand haben.

Nur dann, wenn wir mit Behutsamkeit und Respekt vor dem Gewachsenen in einem so komplizierten Europa mit einer so vielfältigen Geschichte, mit einer so dornigen und blutigen Geschichte, einem Europa der zahllosen Auseinandersetzungen und Ressentiments vorgehen, ist es möglich, dies in eine Einheit zusammenzuschmelzen. Und so gehe ich denn, was verlockend wäre, nicht auf die Tagespolitik ein, darf aber doch daran erinnern: Vom goldenen Grundsatz des Sich-nicht-Einmischens dort, wo es nichts zum Einmischen gibt und wo es nicht um gemeinsame Belange geht, sollten wir uns nicht distanzieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe mich in meinem ganzen Leben stets für Politik interessiert. Ich weiß genau, dass ich schon als Zwölfjähriger die politischen Nachrichten gehört und in den Zeitungen gelesen habe. Meinen Vater habe ich oft gefragt, was dieses oder jenes zu bedeuten habe. Aber eines ist mir aufgefallen, seit ich Politisches beurteilen kann oder versuche, Politisches zu beurteilen: Es wurde immer auch und recht vorrangig mit der Vergangenheit Politik gemacht. Dem anderen zu unterstellen, dass er von den Geistern der Vergangenheit, vom Ungeist der Vergangenheit besessen oder eingenommen sei, ist eine Verlockung, der man offensichtlich wirklich zu keiner Zeit widerstanden hat.

Das vorige Jahrhundert oder dieses Jahrhundert – nach anderer Berechnung – ist das Jahrhundert der großen Dämonen gewesen, für die Hitler und Stalin nur als Namen genannt seien. Ein in vielen Bereichen gespenstisches Jahrhundert.

Den anderen als Faschist oder Stalinist oder Alt-Marxist oder Austrofaschist zu bezeichnen, wo so vieles in unserer Geschichte auch fehlgelaufen ist, ist eine Versuchung, der man wahrscheinlich, wenn man ein politischer Mensch ist, immer wieder unterliegen wird.

Sehr wohltuend war vor zwei Tagen ein Beitrag in der "Presse", in dem ein Journalist aufgezählt hat, was seit 1945 auch getan wurde, um die Geister der Vergangenheit zu bewältigen. Die so schnodderig hingeworfene Behauptung, die Österreicher hätten sich vor der Bewältigung ihrer Vergangenheit einfach gedrückt, ist für jemanden, der sich mit Geschichte beschäftigt hat, völlig unverständlich.

Ich erinnere an die Rückgabegesetze, an die Rückstellungsgesetze. Ich erinnere an das Verbotsgesetz, an die zahllosen Verurteilungen, die nach dem Kriege ausgesprochen wurden. Die Behauptung, man hätte sich mit all dem nicht beschäftigt, hätte sich nur hinter der bequemen Okkupationstheorie verschanzt, ist wohl historisch nicht haltbar.

Schon gar nicht haltbar ist, dass wir Österreicher ausländerfeindlich wären. Wir sind das Land Nummer eins, was Hilfsbereitschaft anlangt. Ich darf an die Aktion "Nachbar in Not" erinnern


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