Bundesrat Stenographisches Protokoll 662. Sitzung / Seite 45

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sodass prophylaktische Leistungen nicht mehr in dem Ausmaß gemacht werden können, wie es notwendig wäre, und die Frau Vizekanzlerin mit einer radikalen Reform der Arbeitnehmerschutzrechte droht, dann muss ich sagen, sind unsere Bedenken wirklich angebracht.

Ich kann Ihnen auch einen Repräsentanten der Österreichischen Volkspartei, den Sie nicht verleugnen können, hier als Zeugen aufrufen, nämlich Präsident Dinkhauser. Er ist Ihnen sicherlich bekannt, er ist Präsident der Arbeiterkammer in Tirol. Laut einer APA-Meldung vom 28. 2. sagte er: "Die Unabhängigkeit und Sachlichkeit des Arbeitsinspektorates wäre durch den starken Wirtschaftseinfluss in dem neuen Ministerium für Arbeit und Wirtschaft im ‚höchsten Maße gefährdet‘." – Das sagt einer Ihrer Spitzenrepräsentanten. Aber auch hier sei von mir eingeschränkt: ein Spitzenrepräsentant der Arbeitnehmergruppe in der Österreichischen Volkspartei. Wir wissen, dass es natürlich unterschiedliche Bewertungen der einzelnen Empfindungen dieser Gruppen gibt.

Das sind nur einige Beispiele zu dem neuen Bundesministeriengesetz, die verdeutlichen, warum wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – Herr Kollege Kraml hat es schon gesagt – nicht die Zustimmung geben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.23

Vizepräsident Johann Payer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile ihm dieses.

13.23

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesrat Drochter hat in der Unterbrechung der Sitzung eine Missachtung des Bundesrates gesehen. Falls Ihnen das Ihr Fraktionsvorsitzender vorenthalten hat, möchte ich Ihnen sagen, warum. (Bundesrat Prähauser: Er hat es uns nicht vorenthalten!) Herr Staatssekretär Morak konnte nicht hier sein, weil die Ihrer Partei angehörenden Abgeordneten des Nationalrates von ihm – in Kenntnis der heutigen Sitzung und Tagesordnung! – verlangt hatten, dass er an einem Ausschuss des Nationalrates teilnehmen sollte. (Hört!-Hört!-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe. – Bundesrat Prähauser: Es gibt auch noch Minister! Immer auf die Staatssekretäre!)

Aber, meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär Morak befindet sich historisch gesehen in guter Gesellschaft. Der frühere Bundeskanzler Adenauer war einmal in einer ähnlichen Situation. (Bundesrat Gstöttner: Das ist aber kein SPÖ-Mitglied!) Er saß bei einer Besprechung außerhalb des Sitzungssaales, als ein Mitarbeiter aufgeregt zu ihm kam und sagte: Im Bundestag ist die Hölle los. Die SPD-Fraktion – das war damals der Fraktionsvorsitzende Kurt Schumacher – verlangt ganz vehement, der Bundeskanzler müsse anwesend sein, es sei eine Missachtung, dass er nicht hier sei. Was hat Herr Bundeskanzler Adenauer darauf gesagt? – Er hat gesagt: Der sagt ja nur, ich soll kommen, damit ich, wenn ich da bin, von ihm hören kann, ich soll gehen. – Das zu diesem Punkt. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der von Ihnen vorgelegte Einspruchsantrag beschäftigt sich vordergründig mit dem Bundesministeriengesetz. Wenn man ihn allerdings genau liest, dann fällt auf, dass – sehr konsequent durchgehalten – von der FPÖ-ÖVP-Bundesregierung die Rede ist. Und das ist nicht nur als farbliche Bezeichnung gemeint, so als üblich Façon de parler, sondern da wird politisches Programm offenbar. Damit wird nämlich zum Ausdruck gebracht, dass es faktisch zwei Bundesregierungen gibt: eine von FPÖ und ÖVP gebildete und ein bislang unbekanntes sozialistisches Schattenkabinett. Das muss man in einen Zusammenhang stellen mit dem Anspruch, der immer wieder erhoben wird: dass die wahren Patrioten Österreichs auf der Straße und im Widerstand gegen die Bundesregierung zu finden wären.

Ich weiß nun schon, dass in einer Demokratie Mehrheit nicht alles kann und auch nicht alles dürfen können sollte, aber es ist allemal noch auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit und ein Kennzeichen der Demokratie, dass jedenfalls für die Bildung einer Bundesregierung die Mehrheit der gesetzgebenden Körperschaft ausreicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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