Bundesrat Stenographisches Protokoll 662. Sitzung / Seite 80

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Bundesrätin Johanna Schicker (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Ich möchte an das Frauen-Volksbegehren erinnern, das letztendlich 700 000 Unterschriften bekommen hat und wofür wir alle – zumindest fast alle! – "gerannt" sind. Ich habe in meinem Bezirk eine parteiübergreifende Fraueninitiative zu diesem Frauen-Volksbegehren gegründet. Wer hat als Einziger nicht mitgemacht? – Die ÖVP! (Rufe bei der SPÖ: Ah so!) Und das ist letztendlich auch im Parlament zum Tragen gekommen, liebe Frau Kollegin Mühlwerth! Das war der Grund. Wir hätten vieles umgesetzt, wenn die ÖVP nicht dagegen gewesen wäre. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dieser Koalition. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Nun zum eigentlichen Thema. Wir haben heute schon einige Male gehört, dass sich diese neue blau-schwarze Regierung (Bundesrat Bieringer: Die österreichische Regierung!) zwar familienfreundlich gibt, aber sehr frauenfeindlich ist. Das steht eindeutig fest! Nun soll das aber nicht heißen – bitte, verstehen Sie mich nicht falsch! –, dass ich oder dass wir gegen Familienfreundlichkeit wären, aber das sind zwei Paar Schuhe! (Bundesministerin Dr. Sickl: Aber warum sind wir frauenfeindlich? – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ja nicht wahr!)  – Ich werde noch darauf zurückkommen.

Ich wehre mich aber dagegen – Frau Kollegin Mühlwerth hat das auch schon bezweifelt –, dass Sie und die ÖVP immer von der "heilen Welt" der Familie reden. Dieses Vater-Mutter-Kind-Modell, dieses traditionelle Familienmodell ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )  – Herr Kollege Himmer! Sie brauchen nur die Statistiken zu lesen: Sie wissen ganz genau, dass 40 Prozent aller Ehen geschieden werden. Wir sind auch für florierende Familien, für florierende Partnerschaften. Aber die Gesellschaft verändert sich, und wir müssen dem Rechnung tragen, der Staat muss dem Rechnung tragen, und die Gesellschaft und die Regierung natürlich auch.

Sie wissen, dass 40 Prozent aller Ehen geschieden werden! Ich frage Sie: Was passiert mit den Frauen danach? – Diese Frauen und noch mehr die Frauen mit Kindern fallen dann aufgrund ihres geringen Einkommens unter die Armutsgrenze, das wissen wir alle. Darum sind wir sozialdemokratische Frauen für die Eigenständigkeit – ist gleich Unabhängigkeit! – der Frau, damit das eben nicht passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das ist aber nur einer der Gründe, warum wir für die Eigenständigkeit der Frauen sind. Für uns ist, wie schon gesagt, Eigenständigkeit gleichzeitig Unabhängigkeit. Und um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir Frauen – das ist heute schon des Öfteren angeklungen – die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. Ich glaube, dazu stehen wir alle! Dazu müssen Schritte gesetzt werden, und diese Schritte müssen gewährleisten, dass diese Vereinbarkeit gegeben ist.

Ich denke nur, es kommen immer noch Ungerechtigkeiten vor, und, Frau Bundesministerin, ich kann Sie auch nicht davon freisprechen, dass es hier zu Widersprüchen gekommen ist. Wir hören, dass es in Zukunft das "Karenzgeld für alle" gibt, und zwar zwei Jahre lang, für jene Frauen, die einen Partner beziehungsweise Ehemann haben, der sich dazu bereit erklärt, seinen Teil des Karenzurlaubes ebenfalls in Anspruch zu nehmen, sogar für drei Jahre. Sie, Frau Bundesministerin, haben – ich muss noch einmal das bereits erwähnte Interview mit Ihnen im "Standard" zitieren – gesagt, Sie setzten sich für alle ein – und das ist gut –, für Verheiratete, für Unverheiratete, für Junge, für Alte, für Alleinerzieherinnen und und und.

Ich frage Sie nun: Wo ist da die Gerechtigkeit für Alleinerzieherinnen, die aus welchen Gründen auch immer keinen Partner haben? Ich brauche Ihnen das nicht zu erklären. Frauen können verlassen werden. (Bundesrat Weilharter: Uns ist jedes Kind gleich viel wert! – Bundesrat Konecny: Eben nicht, Herr Kollege!)

Die Alleinerzieherin ist von Haus aus schlechter gestellt, sie hat nicht die Möglichkeit, alle drei Jahre Karenzzeit in Anspruch zu nehmen. Aber ich warne ohnehin davor, als berufstätige Frau zu lange zu Hause zu bleiben – es ist gut für das Kind, das ist keine Frage, aber es ist schlecht für den Wiedereinstieg in den Beruf. Es sind nicht alle Frauen im Staatsdienst, im Landesdienst, Beamte, die die Möglichkeit haben, nach drei Jahren wieder an ihren angestammten Arbeitsplatz zurückzukehren. In der Privatwirtschaft, meine Damen und Herren, heißt es: Vier


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite