Bundesrat Stenographisches Protokoll 664. Sitzung / Seite 43

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Zweck der Privatisierung ist sicherlich der Schuldenabbau. Spätestens seit gestern, seit dem ECOFIN-Rat in Brüssel, müsste jedem klar sein, dass dieser eine sehr vordringliche Aufgabe des Staates ist. Wir haben in Österreich noch immer über 60 Prozent Schulden im Vergleich zum Bruttosozialprodukt, die uns mehr als nur verbal drücken, sondern auch finanziell schwer belasten. Was bedeutet dieser Schuldenstand? – Er bedeutet, dass wir einen jährlichen Budgetaufwand – und damit eine Umverteilung – in der Höhe von 100 Milliarden Schilling an Zinsendienst und weitere 170 Milliarden Schilling an Tilgungen haben. Zusätzlich haben wir noch in einem Gesamtausmaß von 300 Milliarden Schilling Schulden. Diese können, wenn nichts geschieht, für das Budget schlagend werden.

In Wirklichkeit müssen wir diese Schulden abbauen, damit wir einen Befreiungsschlag machen, damit wir uns wieder im Budget wichtigeren Aufgaben widmen und damit wir diese Umverteilung von Steuereinnahmen, die die Arbeitnehmer zum großen Teil erbringen, zugunsten von Zinsendiensten und Tilgungen abwenden können. Das ist der eigentliche Zweck und die wichtigste Notwendigkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An dieser Stelle möchte ich Ihnen einmal erklären, wie beispielsweise ein Großteil dieser ÖIAG-Schulden entstanden ist. Wissen Sie, wie diese entstanden sind? – Ich zeige Ihnen das am Beispiel der Post auf. Die Post hat als Monopolbetrieb Fernmeldeeinnahmen in der Höhe von ungefähr 17 Milliarden Schilling jährlich. Was ist mit diesen 17 Milliarden passiert? – Ein erheblicher Teil ist zur Abdeckung für die Gelbe Post aufgegangen, weil man dort überhaupt nicht an die Kostenstruktur gedacht hat. Dort waren allein in Form einer Quersubventionierung 5 Milliarden Schilling abzudecken. Das ist der erste Punkt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )  – Ja, aber trotzdem war das ein Defizit! Und Schulden muss man abdecken.

Was geschah weiters? – Man hat dann das Geld nicht für die nötigen Fernmeldeinvestitionen vorgesehen oder zur Verfügung gestellt, obwohl es ein Fernmeldeinvestitionsgesetz gab, sondern man hat aus budgetären Gründen jährlich den Prozentsatz bis zu unter 30 Prozent für die zweckgebundenen Einnahmen gekürzt, damit man jährlich zwischen 5 und 7 Milliarden Schilling an Einnahmen an das Budget abführen kann. Das hat dazu geführt, dass die Post binnen kürzester Zeit an die 100 Milliarden Schilling Schulden hatte, weil anstatt der notwendigen Investitionsmaßnahmen, für die das Geld da gewesen wäre, diese Mittel für das Budget zweckentfremdet wurden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Die ÖVP hat das schon gewusst! Hat die ÖVP das nicht gewusst? – Bundesrätin Mühlwerth: Aber verantwortlich seid ihr!)

Der Schuldenabbau ist nun eine vordringliche Aufgabe, wobei aber vor allem die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich ganz wichtig ist. Daher lautet der Privatisierungsauftrag nicht: Verkauft um jeden Preis – egal, wie rasch!, sondern der Privatisierungsauftrag ist folgendermaßen zu erfüllen: im Interesse der Bevölkerung, unter Berücksichtigung der Interessen der Unternehmer, der dort beschäftigten Arbeitnehmer sowie zur Wahrung österreichischer Interessen den bestmöglichen Erlös zu erzielen. – So lautet der Privatisierungsauftrag. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Drochter: Die Wahrheit heißt: "Abbau", "streichen", "drüberfahren"!)

Jetzt möchte ich zum Aufnahmepotenzial für Privatisierungen Stellung nehmen. Ich weiß nicht, woher Sie die genannte Zahl nehmen, dass praktisch nichts vorhanden sei. Es hat am 13. April eine Sitzung des Industrieausschusses stattgefunden – sogar hier in diesem Saal. Es waren auch einige Bundesratsmitglieder als Zuhörer anwesend. Was hat damals einer der Experten gesagt? – Ich zitiere: Herr Dr. Zapotocky, Vorstand der Börse AG, bezifferte – das blieb unwidersprochen, niemand hat etwas dagegen gesagt – das jährliche Aufnahmepotenzial der Börse für Privatisierungsprojekte mit 50 Milliarden Schilling. – Zitatende.

Auf diese Zahl bauen wir, damit kommen wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode auf ein durch Privatisierung erlösbares Kapital in der Höhe von ungefähr 200 Milliarden Schilling. Ich weiß nicht, wie Sie zu anderen Zahlen gekommen sind. (Bundesrat Kraml: ... die falschen Leute im Ausschuss!)


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