Bundesrat Stenographisches Protokoll 664. Sitzung / Seite 45

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ziemlich unterbewertet ist. Das ist genau jener Punkt, um den es uns geht und auf den ich später noch eingehen werde.

Nur ein Nebensatz noch, was die Judikatur zur Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern angeht: Ich würde Sie gerne auf einen Kaffee einladen, damit wir uns einmal über die Judikatur unterhalten können und darüber, wie prägnant diese wirklich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)  – Heute bin ich spendabel. Ich habe gestern das Gehalt bekommen.

Es ist nicht unverständlich, dass gerade das Thema Privatisierung sehr kontroversiell diskutiert wird. Auch die heutige Debatte hat wieder gezeigt, dass es offensichtlich unterschiedliche Zugänge gibt, was a priori nichts Schlechtes ist. Dennoch ist es mir wichtig, noch einmal zu erwähnen, dass es der Sozialdemokratie nicht um die Frage des öffentlichen oder privaten Eigentums per se geht. Nicht umsonst hat etwa Ferdinand Lacina bereits in den siebziger Jahren gemeint, dass das Thema Verstaatlichung kein Tabu-Thema sein dürfe, und nicht von ungefähr wurden mit dem ÖIAG-Gesetz 1993, das von Herrn Kollegen d'Aron schon angesprochen wurde, nicht unbeträchtliche Privatisierungen vorgenommen – während unserer Regierungsbeteiligung übrigens.

Öffentliches Eigentum ist kein Wert an sich, auch das ist mir wichtig, hier festzuhalten. Es geht in ökonomischer Hinsicht nicht um die Frage der Eigentumsform, sondern es geht vielmehr um Fragen der sozialen Verantwortung, des Wettbewerbes, der Globalisierung und ähnlicher Dinge. Bis dato konnte kein einziger wirtschaftstheoretischer Beweis dafür geführt werden, dass Betriebe im öffentlichen Eigentum allein aufgrund ihrer Eigentumsform allokationspolitisch ineffizienter sein müssen als private Unternehmen. (Bundesrat Dr. d′Aron: Aber die Empirie!)  – Richtig, darauf habe ich gewartet, und ich danke für den Einwurf, so kann ich mir den nächsten Satz ersparen und gleich darauf eingehen. Sie sind ohnehin auch schon ein bisschen auf die Geschichte der verstaatlichten Industrie eingegangen, ich möchte da noch nachsetzen.

Zum Ersten ist es so, dass die Performance jener Betriebe, die sich noch im öffentlichen Eigentum beziehungsweise Teileigentum befinden, nicht die schlechteste ist.

Zum Zweiten hat die heimische Privatwirtschaft von der verstaatlichten Industrie jahrzehntelang profitiert, wurde jahrzehntelang von der verstaatlichten Industrie unterstützt, und in dieser Zeit wurde eigenartigerweise der Ruf nach Privatisierung nicht laut. Wir müssen uns schon auch die Geschichte anschauen und darauf achten, wie die Krise und die Schulden der verstaatlichten Industrie entstanden sind.

Bis spät in die siebziger Jahre hinein hat die verstaatlichte Industrie beispielsweise der österreichischen Privatindustrie Grundmaterialien zum Teil weit unter den Weltmarktpreisen geliefert. (Bundesrat Ledolter: Das ist die Wahrheit!) Dies wurde lange Jahrzehnte beispielsweise von der ÖVP nicht nur hingenommen, sondern sogar noch gelobt – im Übrigen von derselben ÖVP, die noch in den fünfziger Jahren den "unheilvollen Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit" betont hat, etwas, das wir zum Beispiel jetzt schon "überwunden" haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Dazu komme ich auch noch.

Lassen Sie mich fortsetzen, dann kommen wir auch noch in die siebziger Jahre und zu Kreisky. Ein Grund der unbestreitbaren Krise der verstaatlichten Industrie gerade Mitte der achtziger Jahre war eben diese im internationalen Vergleich enorm hohe Grundstofflastigkeit der Betriebe, die aber, wie erwähnt, zunächst von der Privatwirtschaft freudig begrüßt wurde, solange dadurch eigene Kosten gesenkt und Profite erhöht werden konnten.

Damals war die Verlagerung staatlicher Monopolrenten zur Privatindustrie durchaus erwünscht, auch von jenen, die heute grundsätzlich – nicht im Detail – öffentliches Eigentum an derartigen Unternehmen vehement ablehnen. Bereits in den sechziger Jahren hat die Sozialdemokratie gefordert, dass die verstaatlichte Industrie stärker in die Finalindustrie gehen müsse, um weniger konjunkturreagibel zu sein. Handelsminister Bock meinte zu dieser Frage – ich zitiere –: Die verstaatlichte Wirtschaft muss auf die Grundstoffindustrie beschränkt bleiben. Die Ausweitungsversuche in die Finalfertigung sind zu unterbinden. – Zitatende. Das war ein nicht unwesentlicher Grund für die Krise.


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