Bundesrat Stenographisches Protokoll 664. Sitzung / Seite 71

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Sie, Herr Bundesminister Strasser, der Sie selbst Zivildiener waren, dafür verantwortlich sind, dass es zu solchen Verschlechterungen für Zivildiener kommt.

Meine Damen und Herren! Es war eine große Errungenschaft Mitte der siebziger Jahre, vor allem eine Initiative der SPÖ, als das Zivildienstgesetz in Österreich beschlossen wurde. Es hat auch davor immer wieder wehrpflichtige Männer gegeben, die aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe beim Bundesheer abgelehnt haben. Wenn die vorgebrachten Gründe von einer Kommission, die im Ministerium für Landesverteidigung ansässig war, nicht anerkannt wurden, sind diese "Waffendienstverweigerer" kriminalisiert worden. Wurden hingegen die Gründe von dieser Kommission anerkannt, so musste Dienst beim Bundesheer versehen werden, was insofern nicht sehr sinnvoll war, als ein Hauptelement der militärischen Ausbildung fehlte. So gesehen stellte die Einführung des Zivildienstgesetzes für jene jungen Menschen, die den Wehrdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen ablehnten, einen echten Segen dar.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass ich persönlich Ende der siebziger Jahre auch Zivildienst beim Roten Kreuz geleistet habe und dank des Zivildienstgesetzes einer möglichen Kriminalisierung entgangen bin. – Ihnen, Herr Bundesminister Strasser, wird es ähnlich ergangen sein, da ich wohl davon ausgehen kann, dass Sie auch aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe abgelehnt haben.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich festhalten, dass die Zivildiener einen festen Platz in unserem System der sozialen Versorgung haben und eine bedeutende Rolle bei der Aufrechterhaltung dieses Systems spielen. Darüber hinaus sei hier noch als erfreuliche Begleiterscheinung angemerkt, dass sehr viele Zivildiener ein hohes soziales Bewusstsein haben und nach Ableistung ihres Dienstes oft als freiwillige Helfer bei diesen Organisationen bleiben und damit einen sehr wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich deshalb diese Gelegenheit wahrnehmen, allen Zivildienern für ihre Leistungen zum Wohle der Allgemeinheit sehr herzlich zu danken. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass die Arbeit der Zivildiener auch für ihre persönliche Entwicklung einen wesentlichen Stellenwert hat, da sie durch diese Einblick in viele soziale Probleme bekommen und so auch erkennen, dass es viele Menschen gibt, die unter sehr schwierigen Bedingungen leben und mit dieser schwierigen Lebenssituation fertig werden müssen.

Den Zivildienern wird sehr deutlich signalisiert, wie wichtig es ist, sich für den Nächsten zu engagieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Strasser! Diese Erkenntnisse dürften allerdings bei Ihnen nicht ganz angekommen sein, denn sonst müssten wir uns nicht mit dem uns heute vorliegenden Gesetzesvorschlag auseinander setzen. Mir ist unverständlich, dass jemand, der selbst Zivildienst geleistet hat, einen geradezu überfallsartigen Kahlschlag inszeniert, der dramatische Kürzungen (Ruf bei der ÖVP: Notwendige!), und zwar sowohl was die Zahl der Zivildienstplätze als auch die Verpflegskosten der Zivildiener anlangt, zur Folge hat.

Mit dieser Maßnahme wird die Warteschlange der Zivildiener wesentlich länger. Diese jungen Männer wissen nicht, wann sie ihren Zivildienst werden leisten können, und sie werden deshalb massive Schwierigkeiten haben, in dieser Wartephase einen existenzsichernden Job zu finden. Dies stellt einen massiven Eingriff in die Lebensplanung junger Menschen dar, den wir Sozialdemokraten so sicherlich nicht hinnehmen werden!

Die SPÖ wird diese Neuregelung, so sie heute in der vorliegenden Form beschlossen werden sollte, vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten, da unserer Überzeugung nach damit verfassungsrechtliche Grundsätze verletzt werden. Und wir Sozialdemokraten sind sehr zuversichtlich, dass diese Gesetzesbestimmung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht standhält.

Meine Damen und Herren! Aufgrund der längeren Wartezeit und des Entfalls der unentgeltlichen Verpflegung wird der Zivildienst geradezu zum Luxus. Wir vermuten, dass mit dieser Aktion und über das vorgeschobene Argument von Sparmaßnahmen das Bundesheer, in dem schon seit


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