Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 21

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Ebenso danke ich Herrn Vizepräsidenten Weiss und den Klubobmännern Bieringer, Professor Konecny und Universitätsprofessor Dr. Böhm für ihre Arbeit im Rahmen der Präsidialkonferenz und hoffe, dass sich diese Zusammenarbeit auch im zweiten Halbjahr so positiv gestalten wird.

Meine Damen und Herren! Da ich die Präsidentenfunktion zum zweiten Mal ausüben darf, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, meine damaligen Anregungen beziehungsweise Forderungen vergleichend mit der derzeitigen Situation zu analysieren.

Ich habe damals, zu Beginn des ersten Halbjahres 1996, mit einem gewissen Stolz das Abstimmungsergebnis meines Bundeslandes betreffend den EU-Beitritt im Ausmaß von 75 Prozent als bedeutenden Schritt in die Zukunft bewertet. Diese hohe Zustimmungsrate war europaweit einmalig und herausragend.

Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Erreichung des Ziel-1-Status sind nun in allen Teilen meines Landes spürbar, und der Name Karl Stix wird mit dem Erreichen des Ziel-1-Gebietes immer verbunden sein.

Stimmungsmäßig kann ich persönlich heute – trotz der EU-Maßnahmen oder EU-Sanktionen – keine Änderung feststellen. Dass diese Sanktionen quer durch alle politischen Kräfte meines Bundeslandes abgelehnt werden, ist eine Tatsache. Ebenso ist es Tatsache, dass es über die Frage: Wie gehen wir mit der Haltung der übrigen EU-Staaten um?, differenzierte Meinungen gibt. Ich werde mir aber erlauben, etwas später auch dazu Stellung zu nehmen.

Meine erste Präsidentschaft war von den schrecklichen Ereignissen in Oberwart und Stinatz und dem Tod von vier Angehörigen der Volksgruppe der Roma überschattet. Ich habe damals – unter dem Eindruck dieses schrecklichen Ereignisses – das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen geschildert. Es war auch keine Tat der dort zusammenlebenden Menschen, sondern die Tat eines verwirrten, außerhalb der Gesellschaft stehenden Menschen.

Heute – so ist mein Eindruck – ist aus dem friedlichen Nebeneinander ein solidarisches Miteinander geworden. Das Aufstellen der ersten zweisprachigen Ortstafel vorige Woche in Großwarasdorf – Veliki Borištof – werte ich als ein weiteres Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Wege sind.

Mit seinen neun Bundesländern und den verschiedenen Volksgruppen besitzt Österreich eine europäische und beneidenswerte Struktur lebendiger föderaler Einheiten, die topographisch, klimatisch, wirtschaftlich, politisch und in ihrer Identität klar differenziert sind und in dieser Differenzierung unserer Republik gleichzeitig interessant und liebenswert machen. All jenen, zum Glück sehr wenigen Kräften, die dieses solidarische Miteinander zu stören versuchen, sei von dieser Stelle aus eine klare Absage erteilt.

Hohes Haus! Ich habe in meiner Rede vor viereinhalb Jahren ein transparente Gehaltspyramide für Politiker gefordert. Diese Forderung haben wir gemeinsam einer Lösung zugeführt. Heute erhebe ich warnend meine Stimme, die Politikerbezüge aus populistischen Gründen neuerlich zu thematisieren. Ein weiteres Hinunterlizitieren der Politikerbezüge würde sich wahrscheinlich negativ auf die Qualität der handelnden Personen auswirken und der unbedingt notwendigen Unabhängigkeit der politisch Tätigen entgegenwirken.

Die Bundesstaatsreform mit der Neuordnung der Kompetenzen wurde keiner Lösung zugeführt. Auch die Direktwahl der Bundesräte, die ich 1996 anregte, um den Worten "näher zum Bürger" gerechter zu werden, ist eine unerledigte Forderung geblieben.

Erlauben Sie mir aber trotzdem, die Herausforderungen dieses kommenden Halbjahres zu skizzieren.

Am 1. Dezember 1920 hat der Bundesrat seine erste Sitzung abgehalten. Vor fast genau 80 Jahren – am 8. Juli 1920 – hat der Verfassungsausschuss der Konstituierenden Nationalversammlung einen Unterausschuss mit der Aufgabe eingesetzt, über den Sommer möglichst die ganze Verfassung der Republik Österreich fertig zu stellen. Als Vorsitzender fungierte Otto


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