Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 22

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Bauer, als sein Stellvertreter Ignaz Seipel, die Staatsregierung wurde durch den Vorsitzenden der Staatskanzlei und nachmaligen Bundeskanzler Michael Mayr vertreten, und als Fachmann wurde Hans Kelsen zugezogen, der heute als "Vater der österreichischen Bundesverfassung" gilt.

Auch die Ausgestaltung des Bundesrates war schon damals ein kontroversielles Thema: Sowohl die Kompetenzen des Bundesrates als auch die Zusammensetzung des Bundesrates und die Wahl der Bundesratsmitglieder wurden ausgiebig und unterschiedlich beraten. Von allen Seiten wurde das letztlich gefundene Ergebnis als gerade noch an die Grenzen des Vertretbaren gehender, aber akzeptabler Kompromiss bezeichnet.

Lässt man die historische Entstehung Revue passieren, so erscheint es verständlich, dass 80 Jahre später diese Fragen noch immer aktuell sind und von den verschiedenen Fraktionen noch immer differenziert gesehen werden.

Die Bundesregierung zwischen FPÖ und ÖVP hat in ihrem Regierungsprogramm unter dem Kapitel "Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden verbessern" hinsichtlich des Bundesrates Folgendes ausgeführt:

"Umfassende Reform des Bundesrates – Aufwertung als Länderkammer: Die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, ihren Vertreter im Bundesrat in Kernfragen des Föderalismus bei der Ausübung ihres Mandates zu binden."

Ich möchte zu diesem Programmpunkt zweierlei festhalten:

Erstens: Für mich persönlich und die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundesrates ist der Grundsatz des freien Mandats in der gesetzgebenden Körperschaft als Ziel unverzichtbar.

Die konkrete Vorstellung für das freie Mandat im Bundesrat resultiert aus dem Umstand, dass eine Vertretung der Länderinteressen in ihrer Gesamtheit einer Vertretung von neun Landesegoismen vorgehen muss.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die Rede des christlichsozialen Bundeskanzlers Michael Mayr in der ersten Bundesratssitzung am 1. Dezember 1920 verweisen. Dieser führte aus – ich zitiere –:

Es ist gerade in unserer Zeit sehr notwendig, dass eine nähere Verbindung zwischen den Ländern und dem Bund sich geltend mache, das Zusammengehörigkeitsgefühl gepflegt werde und die zusammengehörigen gemeinsamen Interessen auch eine gemeinsame Förderung erfahren. – Ende des Zitats.

Ich ersuche Sie, meine Damen und Herren, auch bei der Überlegung über die Neugestaltung von Prinzipien des Bundesrates nicht das Trennende zwischen den Ländern, sondern das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen.

Sollte eine Aufwertung der einzelnen Bundesräte, damit aber auch des gesamten Bundesrates angestrebt werden, so sollte auch die Direktwahl der Bundesräte im Rahmen der jeweiligen Landtagswahl angedacht werden. Dies würde keine zusätzlichen Kosten verursachen, dafür aber die Legitimation der einzelnen Bundesräte erhöhen.

Die Wahlordnungen für die Landesparlamente und für die Gemeindestuben sind in den vergangenen Jahren durchwegs personenorientierter geworden. Ich stelle die Frage: Warum soll das für den Bundesrat nicht möglich sein? – Auch das Rederecht und das Fragerecht der Bundesräte in den Landtagen sind sicher diskussionswürdig.

Zweitens: Einen Appell möchte ich aber jedenfalls an die Vertreter der Regierungsfraktionen richten. Sollte die Umsetzung dieses Teils der Regierungsvereinbarung zwischen FPÖ und ÖVP begonnen werden, binden sie die Betroffenen in die Diskussionen ein! Es ist nämlich demo


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