Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 23

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kratiepolitisch äußerst bedenklich, wenn Vertreter der Regierung ein parlamentarisches Organ umgestalten wollen, ohne die Betroffenen, nämlich die Bundesräte, einzubinden.

In diesem Halbjahr, meine Damen und Herren, stehen aber noch auf einer anderen Ebene bedeutsame Entscheidungen an. Die Europäische Union hat sich zur Aufgabe gemacht, noch unter französischer EU-Ratspräsidentschaft, also in diesem Halbjahr, eine umfassendere Reform der Institutionen der Europäischen Union zu realisieren, um die EU-Osterweiterung möglich zu machen.

Als Vertreter des Burgenlandes, also einer der hauptbetroffenen Regionen bei der EU-Osterweiterung, spreche ich mich für dieses wichtige europäische Reformvorhaben und für die Realisierung eines neuen geeinten Europas aus.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann hier aber nicht über Europa sprechen, ohne die Maßnahmen der EU-14 gegen Österreich, die so genannten Sanktionen, zu erwähnen. Ich wäre froh, wenn ich dies nicht tun müsste und die Sanktionen schon aufgehoben wären. Ich sehe aber die Nominierung der Herren Ahtisaari, Oreja und Frowein durch Präsident Wildhaber in den Weisenrat als äußerst gelungene Entscheidung und als große Chance an, diese Maßnahmen möglichst bald Vergangenheit sein zu lassen. Ich appelliere aber auch an uns alle, alles zu unterlassen, was diese Chance gefährden könnte.

Lassen Sie mich aber in diesem Zusammenhang auch eine Kritik an der Gestaltung des Instrumentariums der Volksbefragung in der österreichischen Bundesverfassung aussprechen. Eine solch bedeutsame Angelegenheit wie das Recht, Volksbefragungen anzuordnen, findet ohne jegliche Beteiligung des Bundesrates statt. Diese Regelung kann daher aus föderalistischer Sicht nur als unausgewogen bezeichnet werden und sollte bei einer allfälligen Novellierung eine föderalistischere Ausformung erhalten.

Betrachtet man die Diskussion über den Föderalismus in Österreich in den letzten Jahren, so sind zunächst zwei äußerst konstruktive Abschnitte festzustellen:

Erstens: die Diskussion über die Bundesstaatsreform, die auch anlässlich des EU-Beitritts und dem damit verbundenen Kompetenzverlust für Bund und Länder begonnen wurde und zu einer umfassenden föderalistischen Diskussion führte. Aus verschiedenen Gründen, die wahrscheinlich auch verschieden bewertet werden, konnte die Bundesstaatsreform nicht realisiert werden, obwohl eine Neugestaltung der Kompetenzverteilung in Österreich aus verschiedenen Gründen zu begrüßen wäre. Neue Entwicklungen in der Gesellschaft, in der Technik und in anderen Bereichen, aber auch der EU-Beitritt und ein höheres Kostenbewusstsein sind nur einige Überlegungen dafür.

Zweitens: Dies führt uns schon zur nächsten Diskussion, nämlich jener über die Kostenverantwortung zwischen den Gebietskörperschaften. Der europäische Stabilitätspakt hat dazu geführt, dass auch auf österreichischer Ebene ein solcher abgeschlossen werden konnte. Besonders hervorzuheben ist auf der formalen Ebene, dass auch die Städte und die Gemeinden in diese Vereinbarung aufgenommen wurden.

Dies führt aber nun zum dritten und letzten Abschnitt der Föderalismusdiskussion in Österreich, die hauptsächlich in diesem Jahr geführt wurde:

Föderalismus wird als – ich zitiere – "Schwachsinn auf Kosten des Steuerzahlers", die Aufwertung des Bundesrates mit "Gott behüte" bezeichnet. Wir alle wissen, von wem diese Aussagen kommen, sie sind jedenfalls meiner Meinung nach abzulehnen. Eine Diskussion auf einem solchen Niveau kann in niemandes Interesse sein.

Als Präsident des Bundesrates kann ich daher nur an die Vernunft aller Beteiligten appellieren, sich in Zukunft solche Äußerungen zu sparen.

Demokratie und Föderalismus können und dürfen nicht nur als Kostenfrage betrachtet werden, sondern sind Substanz und Rückgrat unseres Staates. Unser gemeinsames Bekenntnis zur


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