Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 191

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den Jugendlichen natürlich sofort unterstützen: Das ist wohl selbstverständlich! Das ist ihre Pflicht und Aufgabe! (Bundesrätin Haunschmid: Das ist ja nicht "einsetzen"! Das ist ja nicht "unterstützen"!)

Ich darf dazu etwas aus meiner beruflichen Praxis sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben die meisten Rechtsfälle, was Jugendliche betrifft, aus der Gastronomie! Das Gastronomiegewerbe ist hier Spitzenreiter! Die Jugendlichen werden um ihre karge Lehrlingsentschädigung betrogen, und wir müssen häufig klagen und vor Gericht gehen, um die Ansprüche für diese Jugendlichen zu erstreiten – und wir sind auch meistens erfolgreich. – Dieser Zustand stimmt mich nicht sehr glücklich, weil es an sich so sein müsste, dass die Betriebe für Arbeit, die geleistet wird, selbstverständlich auch diese mickrige Lehrlingsentschädigung zahlen. Aber selbst das tun sie nicht, und deshalb haben wir hier die meisten Rechtsfälle. (Bundesrätin Haunschmid: ... zahlen keine Lehrlingsentschädigungen?!) Es ist sehr betrüblich und sehr bedauerlich, dass das in einer Branche – wie vor allem im Bereich der Gastronomie, wo dies verstärkt auftritt – ein derartiges Ausmaß angenommen hat! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid  – zur SPÖ-Fraktion gewandt –: ... Dann bilden wir überhaupt keine aus! Dann stehen eben alle auf der Straße!)

Bevor man diese Materie diskutiert, muss man, so glaube ich, grundsätzlich feststellen, dass das duale Berufsausbildungssystem, das in Österreich so hochgelobt wird, nicht überall so gut funktioniert, wie oft getan wird. Wir haben ganz spezielle Branchen, wie etwa jene der Elektroinstallateure in der Steiermark, in denen wir beim erstmaligen Antreten bei den Lehrabschlussprüfungen jedes Jahr Durchfallsquoten von rund 40 Prozent haben: 40 Prozent aller Lehrlinge im Beruf Elektroinstallateur schaffen beim erstmaligen Antreten die Lehrabschlussprüfung nicht! Da kann man nicht einfach sagen, dass plötzlich alle Jugendlichen geistig benachteiligt oder was auch immer sind, sondern da krankt etwas am Ausbildungssystem! Das ist eindeutig feststellbar. Deshalb geht es uns als SPÖ und als Gewerkschafter vor allem immer um eine Qualitätsverbesserung der Ausbildung! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Maßnahmen, die heute zum Beschluss vorliegen, bewirken das genaue Gegenteil. Es ist darunter nämlich kein einziger Schritt, der in die Richtung einer Qualitätsverbesserung geht, sondern ganz im Gegenteil: Auf Qualität wird absolut kein Wert mehr gelegt! Mit der Einführung der Vorlehre wird hauptsächlich das Ziel einer Lohnkosteneinsparung verfolgt. Es ist wirklich ein Verrat an den jungen Menschen in Österreich, sie nunmehr maximal sechs Jahre lang für einen Lehrberuf lernen zu lassen – wenn etwa bei einem normalen Lehrberuf mit einer dreieinhalbjährigen Lehrzeit ein Lehrling vorher drei Jahre lang in der Vorlehre ist und nur sechs Monate davon angerechnet werden –, dessen Erlernung bis jetzt in dreieinhalb Jahren zu bewerkstelligen war. Das ist wirklich ein Schritt in die falsche Richtung, und wir werden dem selbstverständlich nie die Zustimmung geben.

Es gibt absolut keine laufende Kontrolle bei der Vorlehre, im Gegenteil: Die Unternehmen entscheiden jetzt selbst, ohne irgendwelche Kriterien, ob sie einen Vorlehrling oder einen Lehrling aufnehmen. Es gibt keine Kriterien dafür, wann ein Unternehmer jemanden als Vorlehrling einstufen kann und wann er ihn als Lehrling einzustufen hat. Das war bis jetzt beim Arbeitsmarktservice angesiedelt. Bis jetzt hat das Arbeitsmarktservice im Rahmen der Sozialpartnerschaft entschieden, und es hat eine Richtlinie dafür gegeben, welche Personengruppe für eine Vorlehre in Frage kommt.

Durch die Einführung dieses jetzt umfangreichen Vorlehremodells werden andere, bereits bestehende erfolgreiche Modelle sehr gefährdet. Ich nenne Ihnen ein Beispiel – ich glaube, ich habe es im Bundesrat schon einmal erwähnt –: Wir haben im Bezirk Fürstenfeld zusammen mit dem Land Steiermark und mit dem Arbeitsmarktservice ein Ausbildungsmodell für benachteiligte Jugendliche unter dem Titel – das ist ein sehr komplizierter Name, aber es trifft inhaltlich so zu – "Individualisierte Berufsfindung und Berufsbildung für am Arbeitsmarkt benachteiligte Jugendliche" ins Leben gerufen. Mit dieser Jugendausbildung in Söchau haben wir eine Möglichkeit für wirklich schwache Jugendliche, die das Lehrziel in einem Regellehrverhältnis nicht gleich erreichen würden – solche Jugendliche gibt es eben in unserer Gesellschaft –, geschaffen. In diesem Modell sind die Jugendlichen ganz speziell und individuell betreut worden.


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