Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 193

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Ich möchte trotzdem den Versuch machen, die Fakten ein bisschen zu erhellen. Hinter diesem Nebelvorhang, der da aus der Ecke der sozialistischen Gewerkschaften errichtet wurde, verbirgt sich sicherlich besseres Wissen und bessere Einsicht. Denn alle, die mit der Materie zu tun haben, wissen, a) dass es so, wie Sie es darzustellen versucht haben, nicht ist und b) dass die Ergebnisse genau dieses dualen Berufsausbildungssystems wesentlich besser sind als jene, von denen Sie hier sprechen, wenn Sie versuchen, sie schlecht zu machen. (Bundesrat Freiberger: 40 Prozent fliegen durch! 40 Prozent!)

Ganz kurz nur zum Thema Vorlehre: Die Vorlehre soll nichts anderes sein als ein erleichterter Einstieg für jene, die einen bescheidenen Zugang zum Lehrabschluss oder zur Lehre überhaupt haben. (Zwischenrufe der Bundesräte Winter und Marizzi. ) Was ist Ihnen denn lieber (Bundesrätin Fuchs: ... in eine ordentliche Ausbildung! In eine ordnungsgemäß bezahlte!), meine verehrten Kollegen von der sozialistischen Fraktion der Gewerkschaften: dass die Leute auf der Straße stehen, in keine Ausbildung kommen, nie die Chance haben, in einem Betrieb praxisorientiertes Arbeiten zu lernen oder dass sie diesen bescheidenen Zutritt finden und in betriebliche Obhut genommen werden?

Weil Sie es so darstellen, als wäre das das Diktat der Unternehmungen: Ein Lehrvertrag ist immerhin noch eine zweiseitige Willenserklärung, zu der auch die Eltern ihre Zustimmung zu geben haben! (Bundesrätin Haunschmid: Genau!) Da, so glaube ich, sollten Sie doch ein bischen mehr von dem Demokratieverständnis zeigen, das Sie immer auf den Lippen führen, aber dort, wo es angebracht ist, es auch in die Tat umzusetzen, immer mehr vermissen lassen! Lassen Sie doch die Menschen entscheiden, was für sie gut ist!

Aber das zieht sich wie ein roter Faden hindurch. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist der Versuch, immer wieder zu dirigieren und einzugreifen – Vorschriften, Vorschriften und immer wieder Vorschriften, das ist das Credo! – Es zeigt sich, dass das schief gegangen ist.

Ein Wort noch zu der Behauptung, dass alles zu Gunsten der Wirtschaft geschieht: Sie werden doch nicht glauben, dass es zu Gunsten der Wirtschaft ist, wenn genau diese Wirtschaft die Kosten und die Lasten der Berufsausbildung nach wie vor mitträgt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Denn was ist im AHS-Bereich – wenn Sie noch so laut schreien, ändert das nichts! –, was ist im BHS-Bereich? Wer zahlt die Ausbildungskosten in den Fachschulen? – Da höre ich immer wieder: Geschenke an die Unternehmungen, Geschenke an die Wirtschaft. (Bundesrat Würschl: Das ist es auch!) Das stimmt hinten und vorne nicht, meine Herrschaften! Das sind Nützlichkeitsbehauptungen, sonst nichts!

Sie alterieren sich darüber, dass die ach so armen Jugendlichen jetzt im Gastgewerbe bis 23 Uhr arbeiten dürfen. (Bundesrätin Fuchs: Müssen!) Na, das ist auch nur ein Schritt hin zu mehr Konsumentenorientierung, ein Schritt der Anpassung an die berufliche Praxis, wie es eben gefordert wird. Wir alle, so wie wir hier sitzen, sind froh, wenn wir die Frühstückssemmeln in der Früh möglichst frisch bekommen.

Meine Damen und Herren! Eines lässt sich auch hier nicht wegdiskutieren. Diese Regierung tut etwas, sie setzt Maßnahmen, und sie setzt gute Maßnahmen! Sie macht es nicht so wie in der Vergangenheit, als der ehemalige Bundeskanzler meinte, er würde für jeden Jugendlichen einen Lehrplatz zur Verfügung stellen – nur konnte er das natürlich nicht! (Bundesrat Freiberger: Aber es versuchen!) Hier und heute ist die Situation so, dass das Verhältnis zwischen den angebotenen Lehrstellen und den Jugendlichen, die Lehrplätze suchen, sehr ausgewogen ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte nur auf eines noch eingehen, meine Damen und Herren! Die Sozialistische Jugend steht nicht an – ich nehme an, dass das massiv von der sozialistischen Fraktion im ÖGB kommt –, Broschüren an junge Leute zu versenden, in denen von bitteren Pillen für die Jugend die Rede ist: bittere Pillen, weil die Regierung die Lehrlingsausbildung untergräbt. – Darin steht wortwörtlich auch Folgendes: Ein neuerliches Diktat der Regierung ermöglicht der Wirtschaft die Ausbeutung der Jugendlichen.


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