Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 17

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Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich kann mir dessen nicht bewusst sein, weil ich die Dinge einfach anders sehe und mit sehr vielen Experten darüber gesprochen habe. Da ich auch selbst über eine 27-jährige Erfahrung als Rechtsanwalt verfüge und mit sehr vielen Jugendrichtern über diese Frage gesprochen habe, gebe ich zu, es gibt verschiedene Meinungen zu diesem Thema. Aber eine Erschwerung der Reintegration will ich nicht, beab-sichtige ich nicht und halte ich auch nicht für die zukünftige Entwicklung.

Wir wollen wie bisher die Jugendlichen sehr sorgfältig und individuell behandeln, und unsere Aufmerksamkeit gilt durchaus auch dem Jugendstrafvollzug. Im Übrigen wird im Rahmen dieser Novelle auch der Ihnen sicherlich bekannte Präsident des Jugendgerichtshofes Wien, Herr Dr. Jesionek, mit seinem Gericht das Vollzugsgericht für die Jugendstrafanstalt Gerasdorf werden, die bisher dem Gericht Wiener Neustadt unterstanden ist. Das ist ein Schritt, durch den ein besonders erfahrener und engagierter Jugendrichter für den Strafvollzug in Gerasdorf zuständig sein wird.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben selbst die Meinung von kompetenten Fachleuten angesprochen, die sich im Zusammenhang mit dieser Frage kritisch geäußert haben. In welcher Form konnten diese Fachleute bei der Erarbeitung der neuen Vorstellungen ihre Meinung einbringen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Diese Frage kann derzeit nicht vollständig beantwortet werden. Das Begutachtungsverfahren ist erst zu Beginn dieser Woche beendet worden. Herr Sektionschef Dr.  Miklau arbeitet derzeit diese Äußerungen in Zusammenarbeit mit den beiden Parlamentsklubs ein. Auch darüber hat gestern wieder eine Besprechung stattgefunden. Sie können sicher sein, dass jede Expertenmeinung ganz konkret und ausführlich geprüft wird.

Man muss aber die letzte Entscheidung doch dem Parlament überlassen, und ich erwarte mir im Zuge der parlamentarischen Debatte sehr viel Überzeugungsarbeit, weil mir daran gelegen ist, darzutun, dass die Jugendlichen nicht generell, wie Herr Bundesrat Ram das ausgedrückt hat, strenger bestraft werden sollen.

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche Erfahrungen gibt es zu dieser Frage im internationalen Vergleich?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Im internationalen Vergleich ist es so, dass sehr viele Länder auch kein Heranwachsendenstrafrecht haben. In den meisten Ländern endet das Jugendstrafrecht mit 18 Jahren, zum Beispiel in England, in Frankreich und in Italien – bei Italien bin ich mir nicht ganz sicher, aber sehr sicher. Wir befinden uns also durchaus im Trend. Die dogmatisch-legistisch-rechtliche Frage ist: Soll man zwischen das Jugendstrafrecht und das Erwachsenenstrafrecht einen dritten Rechtskreis einfügen, nämlich das Heranwachsendenstrafrecht? – Dies hätte meines Erachtens wieder zu einer Komplizierung geführt.

Ich persönlich bin den beiden Regierungsparteien dafür dankbar, dass sie sich dazu entschlossen haben, auf das Heranwachsendenstrafrecht zu verzichten – so, wie das auch viele andere Länder machen –, aber entsprechende Anpassungsregelungen im Erwachsenenstrafrecht für diese sensible Gruppe zu schaffen.


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