Bundesrat Stenographisches Protokoll 669. Sitzung / Seite 79

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Allerdings bedarf es zur Initialzündung in diesem Bereich der Selbsthilfe nicht nur schöner Worte und breit angelegter Konferenzen, es bedarf insbesondere auch breit angelegter finanzieller Hilfe, die aber unter klar strukturierten Rahmenbedingungen stattfinden muss. Ich glaube, das ist ein Fehler, der international in den letzten Jahrzehnten in der Entwicklungszusammenarbeit immer wieder gemacht wurde, nämlich dass auf diese Rahmenbedingungen vergessen wurde, Rahmenbedingungen, die beiden, sowohl den Gebern als auch den Nehmern, gewisse Verpflichtungen auferlegen – ein Grundgedanke, der auch im Rahmen der Marshallplan-Hilfe nach dem Krieg in Österreich sehr wesentlich war. Da haben wir einiges an Erfahrung am eigenen Leib verspürt.

Ich glaube, dass die Konzentration auf einen fairen Welthandel, sofern ein solcher überhaupt erreichbar ist, für die ärmsten Entwicklungsländer jedenfalls viel zuwenig ist – dies umso mehr, als, wie erwähnt, multilaterale Wirtschaftskooperationen in Wahrheit nicht selten auch einiges an protektionistischen Maßnahmen mit sich bringen, sozusagen in neuen Kleidern. Was auf der einen Seite für Entwicklungsländer beispielsweise Zölle sind, ist auf der anderen Seite bei Industrieländern so etwas wie technische Standardisierung und so weiter. Das heißt, dass unter dem Deckmantel der multilateralen Kooperationen sehr wohl protektionistische Hemmschwellen aufgebaut werden, und daher reicht die Liberalisierung des Welthandels allein für die Entwicklungsländer sicher nicht aus.

Ein eminenter Hemmschuh ist eben in diesem Zusammenhang die Auslandsverschuldung, die – auch da muss man ehrlich bleiben – zum Teil von den Industrieländern, die in den vergangenen Jahrzehnten gefördert haben, selbst mit verschuldet wurde. Es reicht eben nicht aus, Kredite oder auch verlorene Zuschüsse zu geben und sich dann nicht darum zu kümmern, was mit dem Geld in den Entwicklungsländern in Wirklichkeit passiert.

Wir wissen aus den Berichten der Entwicklungszusammenarbeit, dass zum Teil unproduktive Prestigeinvestitionen gefördert wurden, dass zum Teil vielleicht auch etwas schulterzuckend zugeschaut wurde, wie Geld in gewissen Kanälen versickert ist, sicherlich nicht in produktiven Kanälen. Wir wissen von Beispielen, dass in die Wüste gute Wasserwerke gestellt wurden, aber vergessen wurde, für die Zuleitungen zu sorgen.

Das sind Beispiele, die, so glaube ich, zum Teil auch deswegen entstanden sind, weil lange genug ein sinnvolles Zusammenspiel zwischen Entwicklungshilfe auf der einen Seite und Exportförderung auf der anderen Seite negiert wurde, aus welchen Gründen auch immer. Ich glaube, dass eine sinnvolle Verzahnung beiden Seiten etwas bringen wird.

Die drückende Auslandsverschuldung der ärmsten Länder, über die wir hier reden, verhindert vor allem auch Investitionen in nicht unmittelbar produktive, dafür umso wichtigere Bereiche wie Bildung, medizinische Versorgung, soziale Mindeststandards und so weiter – Bereiche, in denen eben die von Kollegen Missethon auch angesprochenen Konflikte immer wieder notgedrungen entstehen. Ich halte im Übrigen diesen Vorschlag des Einbringens der Mediation in die Entwicklungszusammenarbeit für einen sehr guten Vorschlag, den man sicherlich weiter verfolgen sollte. Es könnte sicherlich einiges bringen, um die erforderlichen sozioökonomischen Bewegungen, die vonnöten sind, letztlich auch in Gang zu bringen.

Wenn nun mit dieser Initiative den ärmsten der armen Entwicklungsländer Schulden erlassen werden – im Einzelfall kann das bis über 90 Prozent hinausgehen –, so ist das, so glaube ich, in Zeiten der Globalisierung "nicht nur" – unter Anführungszeichen – ein Akt der Solidarität, sondern auch ein Vorgehen, das langfristig – sicherlich nur langfristig, aber doch – sowohl den Geber- als auch den Nehmerländern Vorteile bringen kann. Die Gesamtkosten des Projektes mit rund 28 Milliarden US-Dollar sind nicht wirklich eine Größe, die die reichsten Länder dieser Erde an den Rand der existenziellen Bedrohung bringen. Immerhin verfügen die reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung über rund 86 Prozent des Gesamteinkommens, während umgekehrt auf die ärmsten 20 Prozent ein einziges Prozent des Einkommens entfällt.

Ich glaube also, dass die anstehende Maßnahme zur Schuldenreduktion ein Gebot der Stunde ist, dass sie aber in keinem Fall isoliert betrachtet werden darf, dass sie in ein vielfältiges Bündel


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