Bundesrat Stenographisches Protokoll 670. Sitzung / Seite 35

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liebe Kolleginnen, ich gestatte mir einen kurzen historischen Einschub – mit einem Fackelbündel aus fünf Fackeln zwischen linker Brust und Achselhöhle zu brennen ist. (Bundesrat Grissemann: Mir ist jetzt schon schlecht! – Bundesrat Gasteiger: Das ist nur eine Aufzählung von Grauslichkeiten! – Bundesrätin Fuchs: Beweisen Sie jetzt Ihre Geschichtskenntnisse?)

Unabhängig davon, ob und wie lange diese "Constitutio Criminalis Theresiana" tatsächlich gültig war, gibt sie ein klassisches Zeugnis davon – jetzt komme ich zum Thema –, wie damals die Politiker und der dahinter stehende Sicherheits- und auch Justizapparat gedacht haben. Von der Unschuldsvermutung, welche Kollegin Fuchs kurz erwähnt, aber meines Erachtens zu wenig betont hat, in dem Sinne, dass der Verdächtigte eine faire Chance zur Verteidigung hat und – viel mehr noch – nicht der Verdächtigte seine Unschuld zu beweisen hat, sondern die Anklage die Schuld, und zwar ohne Folter, war damals noch nicht die Rede. Erst viel später entdeckten Philosophen und Juristen – ich bin bescheiden und nenne die Philosophen zuerst – den bereits erwähnten Begriff der Unschuldsvermutung, und dieser Begriff ist zum höchsten Wert auf dem Gebiet des Strafrechtes in der modernen rechtsstaatlichen Zivilisation geworden.

Meine Damen und Herren! Kein zivilisierter Staat kann es sich heute leisten, auf diesen Begriff und dessen Einhaltung in seiner Strafrechtspflege zu verzichten. Oder doch? – Die Unschuldsvermutung kann allerdings natürlich nicht dazu führen, dass nicht ermittelt werden darf, und der Gesetzgeber hat sich etwas dabei gedacht, als er diese Ermittlungen in zwei Abschnitte unterteilte, nämlich in einen ersten nicht öffentlichen Abschnitt und in einen zweiten öffentlichen Abschnitt mit Hauptverhandlung und dergleichen mehr.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen jetzt nur kurz eine wahre Geschichte erzählen, wie der Sicherheitsapparat oder Teile dieses Apparates die Arbeit, die zweifellos dem nicht öffentlichen Teil zuzuordnen ist, durchführen.

Helmut Naderer, Freiheitlicher Abgeordneter im Salzburger Landtag, Vizebürgermeister und stellvertretender Kommandant eines Gendarmeriepostenkommandos ... (Bundesrat Prähauser: Inzwischen ausgeliefert! – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) – Lassen Sie mich das fertig erzählen! Helmut Naderer – jetzt kommen die ungeheuerlichen Dinge – wird eines Tages von Journalisten angerufen und gefragt, was er denn zu seiner vorläufigen Suspendierung sage. – Helmut Naderer kann nichts sagen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Er hat nämlich keine vorläufige Suspendierung in der Hand. Später dann, am 30. Oktober um 20.45 Uhr erhält Helmut Naderer seine Suspendierung.

Vorweg muss ich jetzt noch etwas anderes erzählen: Lustigerweise ist diese vorläufige Suspendierung, die sich auf drei Anklagepunkte bezieht, von einem Gendarmerieoffizier unterschrieben, der bereits vor Jahren damit beauftragt war, gegen Naderer zu ermitteln, und zur Erkenntnis gelangte, dass diese Ermittlungen einzustellen waren.

Am Tag darauf begibt sich Helmut Naderer zu seinem Verteidiger. Sein Verteidiger ruft beim Landesgendarmeriekommandanten an und teilt mit, dass er mit der Verteidigung beauftragt und bevollmächtigt sei, und ersucht um Akteneinsicht. Die Antwort des Herrn Landesgendarmeriekommandanten lautet: Entschuldigen Sie, Herr Doktor, ich kann Ihnen keine Akteneinsicht gewähren! – Und das sagt er nicht, weil er bösartig ist – nein! –, sondern weil er keinen Akt und nur eine telefonische mündliche Weisung aus Wien erhalten hat.

Er bestätigt das dann am 2. 11. in einem Brief an den Verteidiger, in welchem er schreibt: Zu Ihrer Anfrage um Akteneinsicht im dienstrechtlichen Verfahren von Bezirksinspektor Helmut Naderer teile ich Ihnen mit, dass alle dem Landesgendarmeriekommando bekannten Umstände im Bescheid vom 30. Oktober 2000, Geschäftszahl ..., über die vorläufige Suspendierung enthalten sind. Mehr, als im oben angeführten Bescheid enthalten ist, ist dem Landesgendarmeriekommando nicht bekannt. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an das Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Postfach 100, 1014 Wien. Mit freundlichen Grüßen, Der Landesgendarmeriekommandant, Kröll, Brigadier.

Durch eine Indiskretion, die jedenfalls ein strafrechtlich relevantes Verhalten darstellt, wurden die Medien über die vorläufige Suspendierung und darüber hinaus über die darin enthaltenen


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